Immer weniger Unternehmen sind in Deutschland tarifgebunden. Das zeigt eine Auswertung der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage „Gute Arbeit mit Tarifvertrag – Tarifbindung in Deutschland“ von Pascal Meiser und der Fraktion DIE LINKE. Dabei sichert die Tarifbindung durchschnittlich einen deutlich höheren Bruttomonatsverdienst und verringert eine ungleiche Bezahlung zwischen dem Osten und dem Westen Deutschlands, wie die Zahlen belegen.
Pascal Meiser, gewerkschaftspolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE, kommentiert die dramatische Entwicklung: "Immer mehr Unternehmen entziehen sich durch Tarifflucht ihrer sozialen Verantwortung und verschaffen sich so schmutzige Wettbewerbsvorteile gegenüber denjenigen Konkurrenten, die nach Tarif zahlen. Das ist eine gefährliche Entwicklung, die den sozialen Frieden in unserem Land ernsthaft gefährdet.
Die Bundesregierung darf nicht länger tatenlos zusehen. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil ist in der Pflicht, endlich ein umfassendes Maßnahmenpaket zur Stärkung der Tarifbindung auf den Tisch zu legen. Die Stärkung der Gewerkschaften und die Erhöhung der Tarifbindung sind daher von zentraler Bedeutung.
Dazu muss die Erleichterung der Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen und ein Verbot von so genannten OT-Mitgliedschaften in Arbeitgeberverbänden gehören, mit der sich immer mehr Arbeitgeber der Bindung an Tarifverträge entledigen. Und auch bei der versprochenen Tariftreuregelung bei der öffentlichen Auftragsvergabe müssen den Worten endlich Taten folgen."
Mit Tarifvertrag deutlich mehr Lohn
Im Jahr 2021 lag der durchschnittliche Bruttomonatsverdienst von Vollzeitbeschäftigten in tarifgebundenen Unternehmen bei 4.351 Euro (in 2007: 3.180 Euro) und damit um 604 Euro (in 2007: 256 Euro) bzw. 16,1 Prozent (in 2007: 8,6 Prozent) höher als der durchschnittliche Bruttomonatsverdienst von Vollzeitbeschäftigten in nicht-tarifgebundenen Unternehmen.
Immer weniger Tarifbindung
Im Jahr 2021 arbeiteten fast die Hälfte aller Beschäftigten (48 Prozent) in nicht-tarifgebunden Unternehmen. Drei Viertel aller Betriebe (74,7 Prozent) waren nicht tarifgebunden. Im Jahr 2002 lag die Quote nicht-tarifgebundener Beschäftigter noch bei 32,4 Prozent und es waren weniger als sechs aus zehn (57,7 Prozent) Betriebe nicht tarifgebunden.
Tarifvertrag verringert ungleiche Bezahlung zwischen Ost und West
Im Jahr 2021 lag der durchschnittliche Bruttomonatsverdienst von Vollzeitbeschäftigten in tarifgebundenen Unternehmen im Westen Deutschlands bei 4.424 Euro (in 2007: 3.267 Euro), und damit um 524 Euro (in 2007: 216 Euro) oder 13,7 Prozent (in 2007: 7,1 Prozent) höher als der durchschnittliche Bruttomonatsverdienst von Vollzeitbeschäftigten in nicht-tarifgebundenen Unternehmen.
Der durchschnittliche Bruttomonatsverdienst von Vollzeitbeschäftigten in tarifgebundenen Unternehmen im Osten Deutschlands lag bei 3.802 Euro (in 2007: 2.691 Euro), und damit um 820 Euro (in 2007: 596 Euro) oder 27,2 Prozent (in 2007: 28,5 Prozent) höher als der durchschnittliche Bruttomonatsverdienst von Vollzeitbeschäftigten in nicht-tarifgebundenen Unternehmen.
Rückgang der Tarifbindung vor allem im Westen
Im Jahr 2021 war fast die Hälfte aller Beschäftigten im Westen (46,4 Prozent) nicht-tarifgebunden. Knapp drei Viertel aller Betriebe (72,8 Prozent) war nicht tarifgebunden. Im Jahr 2002 lag die Quote nicht-tarifgebundener Beschäftigten noch bei 29,9 Prozent und 53,4 Prozent der Betriebe.
Deutlich über die Hälfte aller Beschäftigten im Osten (55,1 Prozent) waren nicht-tarifgebunden. Über vier Fünftel aller Betriebe (82,0 Prozent) war nicht tarifgebunden. Im Jahr 2002 lag die Quote nicht-tarifgebundener Beschäftigten noch bei 45,5 Prozent und bei drei Viertel (75,6 Prozent) der Betriebe.
Der Branchentarifvertrag verliert zunehmend an Bedeutung
Im Jahr 2021 arbeiteten nur noch 42,7 Prozent aller Beschäftigten in Unternehmen, die an einen Branchentarif gebunden sind. Weniger als ein Viertel aller Betriebe (23,2 Prozent) war noch an einen Branchentarifvertrag gebunden. Im Jahr 2002 waren es noch fast 60 Prozent (59,7 Prozent) aller Beschäftigten und fast 40 Prozent der Betriebe (39,7 Prozent).
Diese Entwicklung konnte auch nicht durch den Anstieg von Haustarifverträgen ausgeglichen werden. Im Jahr 2021 fiel fast ein Zehntel aller Beschäftigten unter einen Haustarifvertrag (9,4 Prozent). Dies traf im Jahr 2021 auf 2,1 Prozent der Betriebe zu. Im Jahr 2002 waren 7,9 Prozent aller Beschäftigten und 2,8 Prozent der Betriebe an einen Haustarifvertrag gebunden.