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Die Spekulation frisst ihre Kinder

Periodika,

»Die gefährlichste Bank der Welt«, wie der Internationale Währungsfonds die Deutsche Bank bezeichnet, steht am Abgrund. Seit Beginn der Finanzkrise im Jahr 2007 hat die Aktie der Deutschen Bank fast 90 Prozent ihres Werts verloren. Derzeit wird die Bank an der Börse für nur noch 20 Milliarden Euro gehandelt. Das ist ein Spottpreis, verglichen mit der Marktkapitalisierung von Konkurrenten wie JP Morgan (264 Milliarden Euro), der Citigroup (177 Milliarden Euro) oder Goldman Sachs (90 Milliarden Euro). Die Strategie der Deutschen Bank, im Investmentbanking am ganz großen Rad zu drehen, hat mit der Finanzkrise Schiffbruch erlitten.

Hätten die Steuerzahlerinnen und -zahler in den USA und Europa nicht tief in die Tasche gegriffen und würde die Europäische Zentralbank den Banken nicht monatlich riesige Mengen an Wertpapieren abkaufen, die Deutsche Bank wäre längst Geschichte. Die Entsorgung des finanziellen Giftmülls ist noch längst nicht abgeschlossen. Noch immer hält die Deutsche Bank Derivate im Nominalwert von 42 Billionen Euro in ihren Büchern, was dem 14-Fachen der deutschen Wirtschaftsleistung entspricht. Diese undurchsichtigen Wertpapiere haben schon die letzte Finanzkrise ausgelöst und gelten daher zu Recht als »finanzielle Massenvernichtungswaffen« (Warren Buffet).

In einem Brief an die rund 100.000 Beschäftigten des Instituts beklagte sich der Chef der Deutschen Bank, John Cryan, Ende September: »Unsere Bank ist Gegenstand heftiger Spekulationen geworden.« Ausgerechnet die Deutsche Bank, die Spekulation zu ihrem Geschäftsmodell gemacht hat, beklagt sich über böse Hedgefonds, die ihr Geld abziehen? Man könnte schadenfroh sein, müssten nicht Tausende einfache Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für die Krise mit dem Verlust ihres Jobs bezahlen.

In ihrer Verzweiflung will die Deutsche Bank nun sogar Boni von früheren Bankvorständen zurückfordern. Letzteres wäre nur gerecht. Nicht nur weil die Investmentbanker in den letzten 15 Jahren 40 bis 50 Milliarden Euro an Extrazahlungen eingestrichen haben. Josef Ackermann, der einstige Boss der Deutschen Bank, hat mit der wahnwitzigen Zielvorgabe einer Eigenkapitalrendite von 25 Prozent auch wesentlich zum Absturz der Bank beigetragen. Man hätte wissen müssen, dass solche Renditen nur mit krimineller Energie und enormen Risiken für die Steuerzahlerinnen und -zahler zu erwirtschaften sind. Doch statt Ackermann auf die Finger zu klopfen, wurde er für seinen Größenwahn von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) persönlich mit einer Geburtstagsparty auf Staatskosten geehrt.

 

Schattenbanken dominieren das Investmentbanking

Seit dem Jahr 2009 hat die Deutsche Bank mehr als 20 Milliarden Euro für Prozesse und Strafzahlungen ausgeben müssen. Kein Wunder, gab es doch kaum ein Finanzverbrechen, an dem Deutschlands größtes Geldhaus nicht beteiligt war: Geldwäsche, Beihilfe zur Steuerhinterziehung, Manipulation von Leitzinsen, Wechselkursen und Rohstoffpreisen, Umsatzsteuerbetrug mit CO2-Zertifikaten, Urkundenfälschung und Betrug bei Hypothekendarlehen. Derzeit laufen rund 8.000 Verfahren gegen die Deutsche Bank. Wegen betrügerischer Geschäfte mit US-Hypotheken forderte beispielsweise das US-Justizministerium im September eine Strafe von 14 Milliarden US-Dollar. Zwar wird es am Ende sicher nicht so dick kommen. Von der Investmentbank Goldman Sachs hatte das US-Justizministerium in einem ähnlichen Fall 15 Milliarden Dollar gefordert, gab sich dann aber mit 2,6 Milliarden Dollar zufrieden. Trotzdem ist es fraglich, ob die 5,5 Milliarden Euro, die die Deutsche Bank für die Kosten von Rechtsstreitigkeiten zurückgestellt hat, ausreichen werden.

Zwar ist die Deutsche Bank das derzeit größte Problem für das globale Finanzsystem, aber bei Weitem nicht das einzige. Der Internationale Währungsfonds geht davon aus, dass ein Drittel des europäischen Bankensystems nicht überlebensfähig ist. Faule Kredite und Wertpapiere in Höhe von etwa 900 Milliarden Euro lasten schwer auf den Bilanzen. Hinzu kommt, dass die Zinsen aufgrund der Geldpolitik der Europäischen Zentralbank so niedrig sind, dass viele Banken Probleme haben, ordentliche Erträge zu erwirtschaften. Da außerdem die Investitionen in Europa weiterhin schwach sind, ist auch der Bedarf an neuen Krediten gering. Insbesondere Großunternehmen brauchen derzeit keine Banken, um ihren Kapitalbedarf zu decken.

Zudem wird das Investmentbanking inzwischen von sogenannten Schattenbanken dominiert, die im Gegensatz zu normalen Banken keiner Regulierung und Aufsicht unterliegen. Auf den heutigen Finanzmärkten geben Vermögensverwalter wie BlackRock und die Allianz mit ihrem US-Ableger Pimco den Ton an. Allein das von BlackRock verwaltete Vermögen hat sich in den letzten zehn Jahren auf knapp fünf Billionen US-Dollar vervielfacht. Der Finanzkonzern ist der größte Anteilseigner der Deutschen Bank, der Deutschen Börse und vieler anderer Großbanken und Konzerne. Knapp zehn Prozent aller weltweiten Vermögen werden vom BlackRock-Supercomputer Aladdin verwaltet, der sich damit zu einem zentralen Knoten im Nervensystem der Finanzmärkte entwickelt hat. Die Krise der Deutschen Bank ist also leider nicht gleichbedeutend mit einer Krise des Finanzmarktkapitalismus. Die Regisseure mögen wechseln, das Theater bleibt.