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Todbringende Drohne im Anflug

Deutschlands Beitrag zur Eskalation des Ukraine-Konflikts

Nachricht von Sevim Dagdelen,

Der Einsatz von Kampfdrohnen im Donbass durch die ukrainische Armee ist ein Verstoß gegen das Minsker Abkommen. Das bekräftigt die Bundesregierung in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage „Deutsche Unterstützung der türkischen Drohnenproduktion durch die Bundesregierung und Hensoldt“ (Drs. 20/335) von Sevim Dagdelen vor dem Hintergrund der neu aufgenommenen Verhandlungen im Normandie-Format zur Lösung des Ukraine-Konflikts. Mit Blick auf den Einsatz einer Kampfdrohne des Typs „Bayraktar“ aus türkischer Produktion Ende Oktober 2021 betont Grünen-Wirtschaftsstaatssekretär Sven Giegold in seiner Antwort: „Wie die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) ist die Bundesregierung der Auffassung, dass es laut Minsker Vereinbarungen allein der OSZE vorbehalten ist, zu Beobachtungszwecken Drohnen einzusetzen. Auch die seit dem 27. Juli 2020 geltende Bekräftigung der Waffenstillstandvereinbarung untersagt den Konfliktbeteiligten den Einsatz jeder Art von Fluggeräten im Bereich der Waffenstillstandslinie.“ Die Bundesregierung sei damals „besorgt“ gewesen, heißt es weiter.

 

„Die eklatante Verletzung des Minsker Abkommens durch einen Kampfdrohneneinsatz der Ukraine darf nicht folgenlos bleiben“, fordert Sevim Dagdelen, Obfrau im Auswärtigen Ausschuss und Sprecherin für Internationale Politik und Abrüstung. „Die Bundesregierung muss Kiew endlich zur Einhaltung der Minsker Vereinbarungen drängen.“ Nachdem die Bundesregierung die Türkei mit zur Drohnenmacht aufgebaut habe, drohe nach dem Verkauf der Killerdrohnen an Kiew eine weitere Militarisierung des Konflikts.

 

Mehr als nur ein Zwischenfall

 

Der seinerzeitige Einsatz der „Bayraktar“-Drohne im Donbass war laut Washington Post mehr als nur ein weiterer militärischer Zwischenfall in einer umkämpften Region. Während das ukrainische Militär den Einsatz feierte, hatte Russland vor einer Destabilisierung der Lage in der Konfliktregion gewarnt. Beobachter befürchteten schon damals, dass die Ukraine mit dem Ziel einer militärischen Rückeroberung der abtrünnigen Gebiete nach dem Vorbild von Aserbaidschan aufrüstet, das im Herbst 2020 in einem vor allem mit türkischen Kampfdrohnen geführten Krieg große Teile der von Armeniern bewohnten Region Berg-Karabach erobert hat.

 

Der Eintritt der Ukraine in diese neue Militärtechnologie sei einer der Gründe, warum in Moskau große Nervosität herrsche, schreibt die Berliner Zeitung. Die Drohnen könnten nicht nur zur Aufklärung und Verteidigung verwendet werden, sondern auch, wie das Beispiel der Offensive in Berg Karabach gezeigt hat, zu schnellen und präzisen Angriffsaktionen.

 

Die Ukraine hat mit der Türkei eine Kooperationsvereinbarung zur Drohnen-Produktion geschlossen und will die unbemannten Fluggeräte bald auch selbst bauen können. Schon jetzt können die Bayraktar-Drohnen mit Antriebssystemen aus ukrainischer Fertigung ausgestattet werden. Die türkische Waffenschmiede Roketsan rüstet die Kampfdrohnen mit Raketen von einer Reichweite bis 250 Kilometer aus. Das ukrainisch-türkische Drohnenprogramm berührt mithin russische Sicherheitsinteressen unmittelbar.

Lieferdetails sind Verschlusssache

Die Bundesregierung selbst gibt in ihrer Antwort auf die LINKE-Anfrage an, Kenntnis vom Erwerb von Kampfdrohnen des Typs „Bayraktar TB2“, von zwei Bodenkontrollstationen, drei Datenterminals am Boden, zwei ferngesteuerten Videoterminals und Bodenunterstützungsausrüstung von der Türkei durch die Ukraine zu haben. Zur erfragten Stückzahl und dem finanziellen Umfang des Drohnendeals will sich die Bundesregierung nicht offen äußern. Die Antworten sind entsprechend als Verschlusssache eingestuft.

 

Mit der Aufrüstung Kiews droht eine weitere Militarisierung der Region. So haben mittlerweile Vertreter der selbsternannten Donbass-Volksrepubliken im Osten der Ukraine ihrerseits Russland um Ausstattung mit modernen Waffen gebeten, um eigene „Schwachstellen“ auszugleichen. Sie beziehen sich dabei ausdrücklich auf westliche Waffenlieferungen an die ukrainische Armee, darunter die Kampfdrohnen aus der Türkei.

 

In den Jahren 2020 und 2021 wurden zwar laut der aktuellen Antwort der Bundesregierung keine Einzelausfuhrgenehmigungen für die Türkei erteilt, die zur Verwendung oder zum Einbau in militärische Drohnen bestimmt oder geeignet sind, erteilt. Ob sich möglicherweise Güter, deren Ausfuhr im Rahmen der Rüstungsexporte genehmigt wurde, für die Verwendung in Drohnen oder mit Drohnen eignen, kann seitens der Bundesregierung jedoch nicht seriös mit abschließender Sicherheit beurteilt werden. Das heißt, ihre Antworten betreffen nur Güter, von denen konkret bekannt ist, dass sie für militärische Drohnen bestimmt oder geeignet wären.

 

Bauteile aus Deutschland

 

Diese Einschränkung hatte die Bundesregierung bereits in ihrer Antwort auf die Anfrage „Die Produktion von Kampfdrohnen in der Türkei und die Rolle Deutschlands“ (Drs. 19/21683) von Sevim Dagdelen aus dem Jahr 2020 vorgenommen. Aus dieser wurde bekannt, dass sich deutsche Unternehmen mit Bauteilen und Ausrüstung für 12,8 Millionen Euro am Aufbau der türkischen Drohnen-Flotte beteiligt haben. In den Jahren 2009 bis 2018 erteilte die Bundesregierung insgesamt 33 Genehmigungen für die Lieferung von Gütern an den autokratisch regierten NATO-Partner, die zur Verwendung oder zum Einbau in militärische Drohnen bestimmt oder geeignet waren.

 

Keinerlei Kenntnis will die Bundesregierung laut aktueller Antwort haben, ob die im Oktober 2021 im Donbass eingesetzte Kampfdrohne mit einem Zielerfassungssystem vom Typ Argos-II des teilstaatlichen deutschen Rüstungskonzerns Hensoldt ausgestattet gewesen ist. Dazu wie auch zur Frage, ob andere Drohnen der Ukraine mit dieser deutschen Spitzentechnologie ausgerüstet sind, will die Bundesregierung angeblich keine Kenntnisse haben. Sie habe zumindest keine Genehmigung für die Ausfuhr von Argos-II-Modulen an das türkische Unternehmen Baykar Teknoloji erteilt. An welche Länder der deutsche Waffenbauer Hensoldt Argos-II-Systeme mit Genehmigung der Bundesregierung geliefert hat, wird „aus Gründen des Staatswohls“ ebenfalls als Verschlusssache eingestuft.

 

Eigene Drohnenproduktion

 

Klar ist, die Bundesregierung hat die Türkei zur Drohnenmacht mit aufgebaut. Zwar will die Bundesregierung keine Erkenntnisse haben, ob sich die Ukraine militärisch mit dem Ziel einer Rückeroberung der abtrünnigen Gebiete nach dem Vorbild von Aserbaidschan aufrüstet und, ob die Ukraine unter anderem in Kooperation mit der Türkei eine eigene Drohnenproduktion aufbaut bzw. aufbauen will. Das scheint aber vor dem Hintergrund des von der Bundesregierung bestätigten Erwerbs von Kampfdrohnen des Typs Bayraktar TB2, zwei Bodenkontrollstationen, drei Datenterminals am Boden, zwei ferngesteuerten Videoterminals und Bodenunterstützungsausrüstung von der Türkei durch die Ukraine eher zweifelhaft. Der Verkauf der türkischen Killerdrohnen an Kiew macht eine weitere Militarisierung des Konflikts möglich.

 

Der Ukraine-Konflikt könne nur am Verhandlungstisch gelöst werden, nicht durch Rüstungslieferungen, so Außenexpertin Sevim Dagdelen. „Eigene Rüstungsexporte an die Ukraine durch die Bundesregierung, seien es Helme oder Haubitzen, untergraben die Bemühungen für eine diplomatische Verhandlungslösung im Normandie-Format.“ Die von den Befürwortern von Rüstungslieferungen an die Ukraine gemachte Unterscheidung in Offensiv- und Defensivwaffen sei dabei „reiner Unsinn und dient allein der Augenwischerei“.

 

DIE LINKE sieht sich jedenfalls in ihrer Ablehnung deutscher Rüstungslieferungen für die Ukraine durch jüngste Umfragen bestätigt. Eine große Mehrheit der Bevölkerung ist gegen eine deutsche Aufrüstung Kiews, wie aktuelle Umfragen gerade bestätigt haben.