Union und SPD haben sich in ihrem Koalitionsvertrag eigentlich auf klare Beschränkungen bei Waffenexporten verständigt. So sollen etwa Krisen- und Spannungsgebiete nicht mehr beliefert werden. Namentlich die "unmittelbar" am Jemen-Krieg beteiligten Länder sollten kein Kriegsgerät aus Deutschland mehr erhalten. Tatsächlich hat die deutsche Rüstungsindustrie in der laufenden Legislaturperiode mit Zustimmung der Bundesregierung Kriegswaffen für rund 4,5 Milliarden Euro exportieren können. Das geht aus der Antwort des Verteidigungsministeriums auf eine Anfrage der LINKE-Abgeordneten Sevim Dagdelen hervor, über die zuerst die Nachrichtenagentur dpa berichtet hat.
"Angesichts der massiven Ausfuhr von Kriegswaffen seit Oktober 2017 von einer zurückhaltenden Rüstungsexportpolitik zu sprechen, ist eine bewusste Irreführung der Öffentlichkeit durch die Bundesregierung", konstatiert Sevim Dagdelen.
Unter den Top 10 der Empfängerländer deutscher Kriegswaffen sind den Angaben zufolge Ägypten, die Türkei und die Kopf-ab-Diktatur Saudi-Arabien, die im Libyen-Konflikt und/oder im Jemen-Krieg beteiligt sind. "Es ist unerträglich, dass die Türkei bei der Bundesregierung unmittelbar nach Ägypten mit über 1 Milliarde Euro zweitwichtigster Empfänger deutscher Kriegswaffen ist, obwohl Erdogan völkerrechtswidrige Kriege in Syrien und Libyen führt und die EU-Mitglieder Griechenland und Zypern bedroht“, kritisiert Sevim Dagdelen, die auch Vorsitzende der Deutsch-Türkischen Parlamentariergruppe des Bundestages ist.
Detailangaben zu einzelnen Ländern sind in der Antwort des Verteidigungsministeriums zur "Verschluss-Sache" deklariert. Dazu Sevim Dagdelen: "Es ist vollkommen inakzeptabel, dass die Bundesregierung unmittelbar vor der Bundestagswahl die genauen Ausfuhrzahlen von Kriegswaffen an Länder wie die Türkei und Saudi-Arabien geheim halten will, um Kritik am unverantwortlichen Geschäft mit dem Tod gar nicht erst aufkommen zu lassen."
Zu den zehn wichtigsten Empfängerländern gehören laut Verteidigungsministerium zudem Italien, Israel, Litauen, die Niederlande, Österreich, Singapur und Großbritannien. Auch genaue Angaben zu den Kriegswaffenexporten nach Israel sind geheim gestellt. DIE LINKE fordert eine Offenlegung der bisher gelieferten Kriegswaffen und den generellen Stopp von Rüstungsexporten.
Bei Kriegswaffen handelt es sich um Rüstungsgüter, die im Sinne von Artikel 26 Absatz 2 des Grundgesetzes "zur Kriegsführung bestimmt“ sind und deren Export eigentlich nur in absoluten Ausnahmefällen gestattet ist. Als Kriegswaffen gelten beispielsweise Kampfflugzeuge, Panzer, Kriegsschiffe, Maschinengewehre und Handgranaten. Es handelt sich dabei lediglich um eine Teilmenge aller Rüstungsexporte. Rüstungsgüter, die keine Kriegswaffen sind, werden auch als "sonstige Rüstungsgüter“ benannt. Das können beispielsweise Pistolen und Revolver sowie Jagd- und Sportgewehre, Radar- und Funktechnik, aber auch bestimmte Explosivstoffe und Vorprodukte sein, die für den militärischen Einsatz bestimmt sind. Deren tatsächliche Ausfuhr wird allerdings statistisch nicht erfasst.