Deutsche Rüstungsgeschäfte mit Entwicklungsländern haben im vergangenen Jahr ein Rekordniveau erreicht. Bei den Einzelausfuhrgenehmigungen hat die schwarz-rote Bundesregierung erstmals seit 2008 die Milliardengrenze überschritten. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung (PDF) auf eine Kleine Anfrage der Linke-Bundestagsabgeordneten Sevim Dagdelen hervor (Bundestagsdrucksache 19/516).
„Die Verdoppelung von Rüstungsexporten in Entwicklungsländer sind ein politischer Offenbarungseid. Es ist zudem eine moralische Bankrotterklärung, in Entwicklungsländer, die von Armut, Unterernährung, Hunger, mangelhafter Gesundheitsversorgung, einer hohen Kindersterblichkeitsrate, hoher Arbeitslosigkeit und mangelhaften Bildungsmöglichkeiten geprägt sind, Waffen zu liefern“, erklärt Sevim Dagdelen, stellvertretende Vorsitzende und abrüstungspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE. „Das letzte, was Entwicklungsländer brauchen, sind noch mehr Waffen.“
Neue Waffenexporte an Erdogan genehmigt
Aus der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage von Sevim Dagdelen geht zudem hervor, dass die Bundesregierung zum Jahreswechsel eine ganze Reihe von Rüstungsexporten in die Türkei genehmigt hat. „Vom 18. Dezember bis zum 24. Januar 2018 wurden 31 Genehmigungen für Rüstungsgüter in die Türkei erteilt“, so das Wirtschaftsministerium.
„Praktisch täglich genehmigt die Bundesregierung einen Rüstungsexportantrag für den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan“, kritisiert Sevim Dagdelen, „während die Türkei ihren völkerrechtswidrigen militärischen Einmarsch ins syrische Afrin vorbereitet hat.“
Die Rüstungsexport-Genehmigungen erfolgten unmittelbar nach der Freilassung der deutschen Journalistin Mesale Tolu aus türkischer Geiselhaft und bevor der Welt-Korrespondenten Deniz Yücel nach gut einjähriger Untersuchungshaft Mitte Februar freigekommen ist. Bundesaußenminister Sigmar Gabriel hatte danach wiederholt versichert, Deutschland habe keinerlei Gegenleistung dafür zugesagt. Es habe weder saubere noch schmutzige Deals mit der Türkei gegeben. Tatsächlich ist auch eher zu befürchten, dass die Bundesregierung ohnehin gewollte Rüstungsdeals mit der Türkei nun humanitär verklärt. Somit dürfte es sich vielmehr bei den Gefangenenfreilassungen um einen Kollateralnutzen der deutschen Waffendeals mit Erdogan handeln als umgekehrt bei den Rüstungsgeschäften um Kollateralschäden der Freilassungen.
Panzerdeal für Rheinmetall?
Was genau die geschäftsführende Bundesregierung an Exporten in die Türkei genehmigt hat, will sie nicht sagen. Die Angaben sind mit Code-Nummern versehen. Diese decken die Bereiche Bomben, Torpedos, Raketen und Flugkörper ab, Feuerleit- und Überwachungssysteme, Landfahrzeuge, Schiffe und Marineausrüstungen, Luftfahrtgeräte und elektronische Ausrüstungen. Eines der Kürzel, A0013, steht für Spezialpanzer- oder Schutzausrüstung. Ob es sich dabei um die Genehmigung für die von der türkischen Regierung geforderte Aufrüstung von 120 türkischen Panzern vom Typ M60 oder die Nachrüstung von Leopard-2-Kampfpanzern durch den deutschen Rüstungskonzern Rheinmetall handelt, bleibt vorerst offen.