Von der Evakuierung gefährdeter afghanischer Ortskräfte und ihrer Familienangehörigen ist in den Medien nur noch wenig zu hören. Dabei hatte das Thema Ende August 2021 tagelang die Nachrichten dominiert. Die Menschen, die in Afghanistan für die Bundeswehr oder zum Beispiel für das deutsche Entwicklungsministerium arbeiteten und deshalb nach der Machtübernahme der Taliban um ihr Leben fürchten müssen, sind immer noch in großer Gefahr.
Gökay Akbulut fragte für DIE LINKE. im Bundestag mehrfach nach. Aus einer aktuellen Antwort der Bundesregierung ergibt sich: Von Mitte Mai 2021 bis zum 26. November 2021 erhielten insgesamt knapp 25.000 Menschen – 4.590 Ortskräfte und 19.966 ihrer Familienangehörigen – eine so genannte Aufnahmezusage. Die deutschen Behörden bestätigten in diesen Fällen also eine akute Gefährdung der Betroffenen infolge ihrer Tätigkeit und sicherten eine Aufnahme in Deutschland zu.
Doch nach der Machtübernahme der Taliban und dem Abzug ausländischer Truppen gibt es kaum noch Möglichkeiten, Afghanistan auf sicheren Wegen zu verlassen. Insgesamt konnten bislang erst 7.000 der knapp 25.000 gefährdeten Menschen nach Deutschland einreisen, 1.316 Ortskräfte und 5.711 Familienangehörige. Das sind nicht einmal 30 Prozent derjenigen, die dringend Schutz benötigen. Ohne die bemerkenswerte Arbeit von Ehrenamtlichen, die in der Initiative "Luftbrücke Kabul" engagiert sind und bereits mehr als 1.000 gefährdeten Afghan*innen bei der Ausreise helfen konnten (Kabul Luftbrücke), sähe die Bilanz noch schlechter aus.
Von der Bundesregierung im Stich gelassen
Knapp 18.000 Menschen mit einer Aufnahmezusage befinden sich also noch in Afghanistan, hinzu kommen weitere, deren Anerkennungsverfahren noch läuft. Das sind vermutlich nicht wenige, denn fast ein Drittel aller bisherigen Aufnahmezusagen wurde erst im November 2021 ausgesprochen. Knapp die Hälfte der Zusagen (11.866) erging während der chaotisch verlaufenden militärischen Evakuierungsmission Ende August 2021 – und damit viel zu spät. Die Menschen wurden von der vorherigen Bundesregierung sehenden Auges im Stich gelassen, denn alle fachkundigen Expert*innen hatten die Bundesregierung frühzeitig und eindringlich dazu aufgefordert, die Evakuierung der gefährdeten Personen parallel zum Abzug der Bundeswehr vorzunehmen - vergeblich.
Vor diesem Hintergrund kritisiert Gökay Akbulut die langwierigen Verfahren und schleppende Einreise der gefährdeten Personen:
"Viele gefährdete Ortskräfte erhielten die ersehnte Zusage zur Aufnahme erst, nachdem die Taliban die Macht bereits übernommen hatten. Jetzt müssen sie in größter Angst und Unsicherheit ausharren und sind schier am Verzweifeln, denn Ausreisemöglichkeiten gibt es kaum. Berichten zufolge sind schon mehr als 100 ehemalige Sicherheitskräfte von den Taliban exekutiert worden oder verschwunden. Das zeigt, wie gefährlich die Lage für die Ortskräfte ist und dass die Evakuierungen deutlich beschleunigt werden müssen. Nicht einmal ein Drittel der anerkannt schutzbedürftigen Ortskräfte konnte bislang nach Deutschland in Sicherheit gebracht werden, das ist ein absolutes Armutszeugnis. Die neue Koalition hat unbürokratische Aufnahmeverfahren versprochen, um gefährdete Ortskräfte in Sicherheit zu bringen. Viel zu tun für die neue Ministerin im Amt!"