Seit 2011 bis zum ersten Quartal 2018 haben 307.372 Menschen einen Bundesfreiwilligendienst (BFD) begonnen. Circa 53 Prozent davon waren Frauen, rund 47 Prozent Männer. 69 Prozent der Bundesfreiwilligendienstleistenden haben ihren Dienst in Westdeutschland begonnen. 31 Prozent haben ihren Dienst in Ostdeutschland aufgenommen. Das zeigen die Antworten der Bundesregierung (PDF) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion.
Im Westen ist die Mehrheit der Dienstleistenden unter 27 Jahre alt. Im Osten ist dieses Verhältnis umgekehrt. Die Mehrheit der Dienstleistenden ist hier über 27 Jahre alt. Im Osten werde der Dienst häufig als Alternative zur Erwerbstätigkeit gesehen, erklärt Katrin Werner, Sprecherin für bürgerschaftliches Engagement der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag, dazu. "Das stellt den Bildungscharakter des Dienstes in Frage und macht ihn zur arbeitsmarktpolitischen Maßnahme."
98.633 und damit 32 Prozent aller Menschen, die von 2011 bis zum 1. Quartal 2018 einen Dienst begonnen haben, haben diesen vorzeitig beendet. Häufige Gründe für eine vorzeitige Beendigung des Dienstes nennt die Bundesregierung nicht. 80 Prozent aller Menschen, die ihren Dienst vorzeitig abgebrochen haben, sind unter 27 Jahre alt. Am häufigsten brechen Frauen unter 27 Jahren den Dienst ab. Ihre Abbruchrate liegt bei circa 38 Prozent. 76 Prozent der AbbrecherInnen kommen aus Westdeutschland. Im Westen liegt die Abbruchrate mit 35 Prozent deutlich höher als im Osten (26 Prozent).
„Die Gründe einen Dienst abzubrechen sind immer individuell, beispielsweise ein Studienplatz oder eine Ausbildungsstelle", sagt Katrin Werner. "Wenn jedoch fast ein Drittel der Dienstleistenden ihren Dienst vorzeitig beenden, muss nach weiteren Ursachen gefragt werden. Dann muss auch die Qualität des Dienstes, der Arbeitsbedingungen und des Bildungsprogramms auf den Prüfstand gestellt werden.“
Zu Verstößen gegen Arbeitsmarktneutralität verfügt die Bundesregierung über keine Zahlen. Ebenso ist es ihr nicht bekannt, wie viele Menschen vor Dienstbeginn arbeitssuchend gemeldet waren. Dass die Bundesregierung keine Zahlen zu Verstößen gegen die Arbeitsmarktneutralität vorlegen kann, findet Katrin Werner nicht hinnehmbar. "Es ist elementar für den Bundesfreiwilligendienst, dass die Dienstleistenden keine regulären Arbeitsplätze in den Dienststellen ersetzen. Das muss sichergestellt, überprüft, dokumentiert und bei Verstößen sanktioniert werden. Dazu wäre eine unabhängige Stelle, an die Beschwerden gerichtet werden können, unerlässlich."
Insgesamt sind 42 Beraterinnen und Berater regional für das Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BaFzA) tätig, um Bundesfreiwilligendienstleistende sowie Einsatzstellen hinsichtlich des Dienstes und der pädagogischen Begleitung im BFD zu betreuen und zu beraten. Nach Angaben des Bundesfamilienministeriums ist ein_e BeraterIn durchschnittlich für 321 Bundesfreiwilligendienstleistende zuständig. "Hier kann man wohl kaum von einem angemessenen Betreuungsschlüssel sprechen", meint Katrin Werner. "Zur Qualitätsverbesserung und zur Reduzierung der hohen Abbruchrate, wäre ein besserer Betreuungsschlüssel ein erster Schritt.“
"Es gibt zahlreiche Baustellen beim Bundesfreiwilligendienst", stellt Katrin Werner fest. "Es wird Zeit, dass alle Akteure zusammenkommen und über die Themen Qualitätssicherung, Arbeitsmarktneutralität, Bildung und Abläufe sprechen."