Die Bundesregierung hat Anfang dieser Woche eine weitere Kehrtwende vollzogen und macht sich nun auch für ein Ölembargo der EU gegen Russland stark. Die EU-Kommission plant, russische Öllieferungen in die EU Anfang nächsten Jahres weitestgehend einzustellen. Hiervor betroffen wäre u.e. die Ölraffinerie PCK Schwedt in der Uckermark. Dort endet die Trasse „Druschba“. Anlagen und Technologie sind auf die Verarbeitung des relativ schwefelhaltigen Rohstoffs geeicht. Die strukturschwache Region bangt nun um 1.200 Arbeitsplätze. Aber auch den Chemiestandort Leuna in Sachsen-Anhalt träfe ein Ölstopp hart.
In Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern fahren bisher neun von zehn Autos mit Kraftstoff aus Schwedt. Die Ersatz-Pipeline für Tankeröl aus Rostock könnte derzeit gerade 60 Prozent des Bedarfs der PCK-Raffinerie decken. Es könne "rumpelig werden", meint Wirtschaftsminister Habeck (Bündnis 90/Die Grünen). Sören Pellmann ist empört: "Nicht nur rumpelig wird es, wie Habeck die Lage herunterspielt, der Importstopp ist ein soziales Pulverfass insbesondere für den Osten. Das Embargo ist eine naive Fehlentscheidung, die uns vermutlich mehr schadet als Putin. Wo ist der Plan der Bundesregierung, um Verbraucher und Wirtschaft im Osten zu schützen? Es muss massiv gegengesteuert werden, insbesondere steuerlich. 3-Euro-Spritpreise oder weitere Erhöhungen darf es nicht geben. Im Gegenteil: Wir brauchen einen Schutzschirm für den Osten. Zum Beispiel dürfte die Energiesteuer nicht nur für drei Monate reduziert werden, sondern müsste dauerhaft für den Osten drastisch abgesenkt, besser ausgesetzt werden. Auch bei der Mehrwertsteuer muss sich die Ampel endlich bewegen. Das Entlastungspaket muss komplett überarbeitet werden. Schluss mit der Diskriminierung von Rentnern!"
"Die Zustimmung Deutschlands zum Ölembargo ist eine westdeutsche Entscheidung einer personell westdeutschen Regierung. Wäre der Westen annähernd so betroffen wie der Osten, hätte es vermutlich ein anderes Vorgehen der Ampel gegeben", so das Fazit des Ostbeauftragten der Linksfraktion, Sören Pellmann. Sein Thüringer Fraktionskollege Ralph Lenkert warnt: "Ohne kompletten Ersatz der Öllieferungen, und zwar mit Anlieferungen bis zu den Standorten und mit Kompensation der Mehrkosten in Ostdeutschland, führt das Embargo zu einer erneuten verheerenden Deindustrialisierung im Osten."
Christian Görke, vormals Finanzminister von Brandenburg, schlägt vor, "dass der Staat als Treuhänder der PCK die Gesellschafteranteile übernehmen muss, verbunden mit einer Beschäftigungsgarantie für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Wir fordern, dass der Bund im Falle eines Öl-Lieferstopps sämtliche Zusatzbelastungen für Ostdeutschland kompensiert und schnellstens ein Gesetz beschließt, um wie in den Kohlerevieren kurzfristig Strukturhilfen für die betroffenen Regionen bereitzustellen." Bei jeder Entscheidung müsse es auch darum gehen, eine Kettenreaktion mit massiven Auswirkungen für ganz Ostdeutschland zu verhindern. Wenn der Bund an seiner Eskalationsstrategie festhält, müsse er vollumfänglich in Verantwortung gehen, so Görke.
Am Donnerstag traf sich Klaus Ernst, Vorsitzender des Bundestagsausschusses für Klimaschutz und Energie, in Schwedt mit Oberbürgermeisterin Annekathrin Hoppe (SPD). "Mit ihr habe ich über die Folgen eines Ölboykotts für die Bürger und Unternehmen ihrer Stadt gesprochen. Besonders freut mich, dass sie als Sachverständige zu uns in den Ausschuss kommen wird", vermeldet Ernst auf dem Kurznachrichtendienst Twitter. In ihrer Sanktionspolitik solle "sich die Regierung lieber auf russische Oligarchen konzentrieren, denen es in anderen Ländern deutlich mehr an ihr Vermögen geht als in der Bundesrepublik", appellierte Ernst und begrüßte den Vorschlag von Michael Roth (SPD), Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses, für eine internationale Klimapartnerschaft, "wenn mit dieser Partnerschaft eine Kompensation der Energieversorgung möglich ist".