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Amen und Schalom und ab in die Tonne!

Im Wortlaut von Petra Pau,

Foto: DBT/studio kohlmeier

 

 

Petra Pau eröffnet am 13. März in Berlin die dritte Internationale Antisemitismuskonferenz, zu der sich Parlamentarier und Regierungsmitglieder aus 30 Ländern, aber auch Vertreter von Fanclubs und Facebook angemeldet haben. “Es geht bei dem Kongress nicht allein um die deutsche Brille”, betont die Bundestagsvizepräsidentin im Interview.

 

ICCA ist ein englisches Kürzel und steht wofür?

Petra Pau: Inter-parliamentary Coalition for Combating Antisemitism. Zu Deutsch: Internationale Parlamentarier-Koalition zur Bekämpfung des Antisemitismus.

Wie kam es dazu? 



Die Idee geht wesentlich auf John Mann aus dem britischen Unterhaus zurück. Wir hatten bereits 2008 auf einer Tagung in Israel darüber gesprochen. Gegründet wurde die ICCA auf einer 1. Konferenz 2009. Dort wurde auch eine „Londoner Erklärung“ mit 34 Empfehlungen für Parlamentarier, Regierungen, Medien und Initiativen verabschiedet. Sie lässt sich im Internet leicht finden. Inzwischen gehören der ICCA hunderte Parlamentarier aus über 80 Staaten an.

2012 folgte in Ottawa der 2. ICCA-Kongress, nun ist Berlin Veranstalter.

Berlin ist Gastgeber, Veranstalter bleibt die ICCA. Aber richtig ist, dass der Bundestag und das Auswärtige Amt zu unseren Partnern gehören.

Sie sagen „unseren Partnern“. Sie sind Mitglied im ICCA?

Ja, und ich gehöre zugleich zu der sechsköpfigen Steuerungsgruppe, die die ICCA-Arbeit zwischen den großen Konferenzen koordiniert und diese vorbereitet, also auch den 3. Kongress vom 13. bis 15. März 2016 in Berlin. 
Ich füge zugleich hinzu: Die eigentliche Kernerarbeit, die ein solcher Kongress erfordert, die machen andere, ohne Scheinwerferlicht. Ihnen gebührt Dank.

Was erwarten Sie?

Sehr viele Anmeldungen aus allen Himmelsrichtungen drohen, die Saalkapazitäten zu sprengen. Das Konferenzprogramm ist prall und die Redelisten spiegeln ein Rieseninteresse wider.

Woher kommen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer?

Von allen Kontinenten aus über 30 Staaten, darunter aus Armenien, Australien, Kanada, Nicaragua und der Slowakei sowie Uganda und den USA.

Bundeskanzlerin Merkel hat einen Beitrag angekündigt?



Und Bundestagspräsident Lammert, Bundesaußenminister Steinmeier und weitere Regierungsmitglieder, übrigens aus zahlreichen Ländern. Das ist wichtig, aber nicht entscheidend.

Was dann?

Wesentlich ist der Austausch von Parlamentariern aus zahlreichen Ländern mit unterschiedlichen Erfahrungen und aus verschiedenen politischen Prägungen. Antisemitismus ist ein menschenverachtender Hass auf Jüdinnen und Juden, nur, weil sie Jüdinnen und Juden sind. Das ist unsäglich, politisch nicht begründbar, menschlich zu ächten und doch allgegenwärtig und oft auch gefährlich.

Worum geht es unter der großen Überschrift konkret?

Wir werden uns mit Antisemitismus und dem Kampf dagegen in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen befassen, zum Beispiel beim Fußball oder in sozialen Netzwerken. Deshalb werden auch Fanclubs und Vertreter von Facebook dabei sein, auch Repräsentanten von muslimischen Verbänden. Sicher wird auch die aktuelle Flüchtlingsfrage eine Rolle spielen.

Inwiefern?

Verschiedene Untersuchungen sagen: Rund 25 Prozent aller Bürgerinnen und Bürger hierzulande sind antisemitisch aktivierbar. Das ist eine große Minderheit. Damit liegt Deutschland im europäischen Mittelfeld. In anderen Ländern, zum Beispiel im arabischen Raum, gehören Hass auf Juden und Israel oft zum „guten“ Ton, auch offiziell. Wer so sozialisiert wurde und nun als Flüchtling zu uns kommt, verliert seinen Antisemitismus nicht an der Grenze.

Deshalb, sagen PEGIDA-Sprecher, wollen sie ja auch das christlich-jüdische Abendland gegen gefährliche Flüchtlinge verteidigen.



Amen und Schalom und ab in die Tonne! Richtig ist, dieser Teil der Integration von Geflüchteten muss natürlich bedacht und bearbeitet werden. Aber Jüdinnen und Juden hierzulande machen rechte, rassistische Tendenzen, wie sie von der AfD und PEGIDA verkörpert werden, derzeit viel mehr Sorgen. Aber noch mal: Es geht bei dem Kongress nicht allein um die deutsche Brille, sondern immer um internationale Erfahrungen und Vorschläge.

Welche weiteren Ergebnisse soll die Konferenz bringen?

Wir würden gerne international zusammengesetzte Arbeitsgruppen bilden, die sich zwischen den Konferenzen bestimmter Themen annehmen, zum Beispiel Antisemitismus in Medien oder neue Formen der Erinnerungskultur im 21. Jahrhundert, also mehr als 70 Jahre nach dem Holocaust, ohne Zeitzeugen.

Der Bundestag hatte bereits 2008 einen Beschluss gefasst „Antisemitismus ächten, jüdisches Leben fördern“ und diesen später nochmals bekräftig.

Als Vizepräsidentin sage ich: Gut so! Als Linke finde ich: Die Umsetzung verträgt fraktionsübergreifend erheblich mehr Engagement.

Interview: Rainer Brandt