Amazon setzt im Rahmen von „Amazon Flex“ darauf, vermeintliche Privatpersonen als Kurierfahrerinnen und Kurierfahrer einzusetzen. Die Fahrerinnen und Fahrer können sich mittels einer App für Stundenkontingente bewerben, innerhalb derer sie mit ihren privaten Autos für Amazon Pakete ausliefern. Dafür bietet der Online-Händler bis zu 16 Euro pro Stunde – allerdings auf Basis von vermeintlicher „Solo-Selbstständigkeit“. Das komplette unternehmerische Risiko liegt bei den Kurierfahrerinnen und -fahrern, es gelten so gut wie keine Regeln des Arbeitsschutzes, und auch das Haftungsrisiko für Schäden und Verluste hat Amazon auf die Paketbotinnen und -boten übertragen.
„Amazon verdrängt mit seinem neuen Geschäftsmodell nicht nur reguläre Beschäftigung“, kritisiert Pascal Meiser, gewerkschaftspolitischer Sprecher der Fraktion und Mitglied im Wirtschaftsausschuss des Bundestages, das Outsourcing-Modell von Amazon Flex. „Für viele Fahrerinnen und Fahrer dürfte gar nicht absehbar sein, welche persönlichen Risiken sie eingehen - beispielsweise bei der Haftung für Schäden an den Paketen. So, wie der Amazon-Konzern zurzeit auch in diesem Bereich agiert, ist das völlig verantwortungslos.“ Dabei hätten Konzerne, die wie Amazon Milliardengewinne erwirtschaften, die finanziellen Möglichkeiten, seine Kurierfahrerinnen und -fahrer zu guten Bedingungen fest anzustellen. Meiser warnt: „Eine ,Uberisierung' darf es auf dem deutschen Paketmarkt nicht geben. Schon jetzt sind die Bedingungen für Kurierfahrerinnen und -fahrer miserabel.“
In einer Kleinen Anfrage hat Pascal Meiser die Bundesregierung nach ihrer Haltung zum Geschäftsmodell von Amazon Flex und der Notwendigkeit gefragt, den Auswirkungen mit gesetzlichen Regelungen zu begegnen. Trotz der alarmierenden Entwicklung sieht die Bundesregierung keinen Handlungsbedarf, wie aus ihrer Antwort (PDF) hervorgeht.
Meiser hingegen sieht sehr wohl Handlungsbedarf: „Die Bundesregierung muss dafür sorgen, dass die Kontrolldichte in der boomenden Paketbranche erhöht und Scheinselbständigkeit wirksam bekämpft wird. Darüber hinaus müssen endlich alle Postdienstleistungen - und damit künftig dann auch die Paketbranche - den gleichen qualitativ hochwertigen Standards unterworfen werden. Auch die Erbringung von Paketdienstleistungen muss dazu lizenzpflichtig werden. Es kann nicht sein, dass zwar das Postgeheimnis für Briefe wie Pakete gleichermaßen gilt, zugleich fast jedermann Pakete ausliefern kann, ohne dazu überhaupt eine Lizenz besitzen zu müssen. Die dafür zuständige Bundesnetzagentur muss endlich auch bei den Paketdienstleistungen Arbeitsbedingungen und Qualität bei der Erbringung der Leistungen kontrollieren, so wie dies bereits für den Briefbereich möglich ist. Dazu gehört nach dem Postgesetz als Ultima Ratio, die Postlizenz zu verweigern oder zu entziehen, wenn beispielsweise bestimmte in der Branche übliche Arbeitsbedingungen unterschritten oder gar sozial- oder arbeitsrechtliche Verstöße festgestellt werden.“