Ulla Jelpke und Jan Korte über die Erinnerung an den nationalsozialistischen Vernichtungskrieg
Der deutsche Überfall auf Polen am 1. 9. 1939 und die Vernichtungspolitik gegenüber der polnischen Zivilbevölkerung war der Beginn der sogenannten NS-Lebensraumpolitik in Ostmitteleuropa. Antisemitismus und Rassismus verbanden sich hier mit der »NS-Lebensraumpolitik« zu einem systematischen Raub- und Vernichtungsfeldzug gegen Polen, die Sowjetunion, aber auch Jugoslawien und andere Nationen. Der Vernichtungskrieg der Nazis in Ostmitteleuropa hinterließ eine unvorstellbare Spur menschlichen Leids und traumatisierte nachkommende Generationen der Opfer. Beschämend wenig ist davon in der heutigen deutschen Öffentlichkeit bekannt.
Seit 2013 setzt sich die Initiative »Gedenkort für die Opfer der NS-Lebensraumpolitik« für einen solchen Gedenkort in Berlin ein. Als Fraktion unterstützen wir dies. Unser aktueller Antrag »Gedenkort für die Opfer des NS-Vernichtungskrieges in Osteuropa« (18/4917) strebt eine interfraktionelle und mehrheitsfähige Initiative an. Ziel ist eine Initiative für einen Gedenkort für alle Opfer des NS-Vernichtungskrieges noch in dieser Wahlperiode zu erreichen.
Anlässlich des 80. Jahrestages des Überfalls auf Polen sammelt nun eine interfraktionelle Abgeordnetengruppe seit einigen Wochen Unterstützer*innen für ein »Polen-Denkmal«. Ihr Appell setzt sich dafür ein, einen eigenen Gedenk- und Lernort für die Opfer der deutschen Besatzung in Polen einzurichten. Der Aufruf ist durchaus nachvollziehbar. Er benennt korrekt die gravierenden Wissens- und Erinnerungslücken der deutschen »Erinnerungskultur«. Dennoch halten wir ihn für hochproblematisch, gerade in seiner einseitigen Fokussierung auf polnische Opfer. Der Vernichtungskrieg hat in Polen begonnen, er hat sich aber nicht auf Polen beschränkt.