Von Niema Movassat, drogenpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag
Jährlich wird zehntausenden Führerscheininhaber*innen aufgrund von Alkohol- und Drogenkonsum die Fahrerlaubnis entzogen. Aus den Antworten den Bundesregierung vom 20. Februar 2019 auf die Kleine Anfrage "Cannabiskonsum und Fahrerlaubnis" wird deutlich, dass Personen, die sehr geringe Mengen Alkohol oder THC im Blut aufweisen, auf den Straßen Deutschlands dabei sehr unterschiedlich behandelt werden. Während bei Alkohol die bewährte 0,5-Promille-Grenze existiert, gibt es für Cannabis keine vergleichbare Regelung. Schon allerkleinste Mengen von THC im Blut reichen für den Entzug der Fahrerlaubnis aus. Der derzeitige Grenzwert bei Cannabis beträgt 1,0 ng/ml Blutserum und entspricht dem, was gerade noch wissenschaftlich messbar ist. Ihn erreichen Cannabiskonsumenten oft noch Tage nach dem Konsum – ohne dass eine verkehrsrelevante Beeinträchtigung vorliegen muss.
Bundesregierung drückt sich um THC-Grenzwert
Wie aus den Antworten deutlich wird, hat die Bundesregierung keine Anhaltspunkte dafür, welche Gefahr Cannabis im Straßenverkehr darstellt. Es bleibt unklar, wie viele Unfälle im Straßenverkehr unter dem Einfluss von Cannabis erfolgen und welche THC-Werte im Bluterserum bei den Unfallverursachenden unter Cannabiseinfluss vorliegen. Bei Unfällen unter Alkoholeinfluss hatten im Jahr 2017 beispielsweise 93 Prozent der Unfallverursachenden einen Blutalkoholwert von 0,5 Promille und mehr. Das bedeutet, die 0,5-Promille-Grenze scheint ein relativ verlässlicher Grenzwert für die Einschätzung von verkehrsrelevante Beeinträchtigungen zu sein. Ein vergleichbarer Grenzwert wäre dringend auch für den THC-Wert nötig. Doch die Bundesregierung ignoriert die Vorschläge der Grenzwertkommission und der Bundesanstalt für Straßenwesen zur Hochsetzung des THC-Grenzwerts. Und das obwohl sie es für nicht verkehrssicherheitsfördernd hält, wenn Personen, die zwischen Konsum und Teilnahme am Straßenverkehr trennen, genauso behandelt werden wie Personen, die das Trennungsgebot nicht befolgen.
Ungleichbehandlung beenden
Mit dem Festhalten an der aktuellen Regelung sorgt die Bundesregierung dafür, dass Menschen ihren Führerschein verlieren können, obwohl sie nicht berauscht am Straßenverkehr teilgenommen haben. Das stellt eine große Ungerechtigkeit dar und verstößt – auch wenn die Bundesregierung das negiert – gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz aus Artikel 3 Grundgesetz. Denn ein Verkehrsteilnehmer, der mit 0,2 Promille unterwegs ist, hat keine Sanktionen zu befürchten. Das ist auch gut so. Aber das muss dann auch für niedrige THC-Gehalte gelten. Besonders absurd sind Fälle des Führerscheinentzugs, in denen die Personen gar nicht mit einem Kraftfahrzeug am Straßenverkehr teilgenommen haben, sondern in denen die Fahrerlaubnisbehörde aufgrund einer Mitteilung über ein laufendes Ermittlungs- oder Strafverfahren wegen BtMG-Verstoß handelt. Hier scheint es dann überhaupt nicht mehr um die Verkehrssicherheit zu gehen, sondern um die Durchsetzung einer gescheiterten Drogenpolitik durchs Hintertürchen. Das ist inakzeptabel.
DIE LINKE fordert daher die Bundesregierung auf, endlich eine Gleichbehandlung von alkohol- und cannabiskonsumierenden Führerscheininhabern zu garantieren, die faktische Nulltoleranzregel bei Cannabis aufzuheben und einen THC-Grenzwert festzulegen, der an die 0,5-Promille-Grenze bei Alkohol angelehnt ist!