Es ist Zeit: Die Erzeugung von Strom aus Atomkraft in Deutschland wird beendet. Damit endet eine Geschichte voller Risiken, falscher Versprechen, privater Milliardenprofite und staatlicher Milliardensubventionen. Atomkraft war nie sicher, und das wusste man nicht erst seit Tschernobyl. Was naturwissenschaftlich und technisch vielleicht theoretisch möglich ist, scheiterte in zwei völlig unterschiedlichen Wirtschaftsdoktrinen gleichermaßen. Ob nun aufgrund menschlichem Versagen, Billigbauteilen zur Profitmaximierung oder Fehlplanungen – das Risiko eines atomaren Unfalls bestand immer und es besteht auch weiterhin. Das Versprechen der sicheren billigen Atomkraft war geprägt von völliger Selbstüberschätzung des Menschen gegenüber der Technik, die er zu beherrschen glaubt. Dass das nicht funktionierte, haben die großen Atomunfälle Chalk River (Kanada 1952), Majak (Sowjetunion 1955), Sellafield (UK 1957), Simi Valley (USA 1959), Three Miles Island (USA 1979), Tschernobyl (Sowjetunion 1986), Fukushima (Japan 2011) gezeigt. Diese Liste von Unfällen wird erweitert durch massive Freisetzungen von Radioaktivität bei diversen Unfällen bei der Uranförderung, Anreicherung, Herstellung von Brennelementen und in Absetzbecken. Hinzu kommen dutzende gravierende Störfälle in atomaren Anlagen, bei denen Kernbrennstoff teilweise geschmolzen ist oder die Anlage nur kurz vor dem Desaster abgeschaltet werden konnte.
Atomkraft ist ein Spiel mit dem Risiko. Oftmals wird ihr zerstörerisches Potential allein für die zivile Nutzung gar nicht öffentlich bekannt. Die falschen Versprechen beschränken sich aber nicht auf die Sicherheit. Atomenergie war und ist nicht billig. Allein in Deutschland wurde die Atombranche mit umgerechnet mindestens 200 Milliarden Euro subventioniert. Hinzu kommen Ewigkeitskosten für die Altlastensanierung im Uranbergbau und für die Endlagerung, deren Höhe noch nicht einmal abgeschätzt werden kann. Atomkraftwerke werden nirgendwo auf der Welt für das volkswirtschaftliche Schadenspotential, das ihnen innewohnt, versichert. Während die privaten Gewinne der atomaren Stromerzeugung in Deutschland vor der Fukushima-Katastrophe trotz bereits verkündetem Atomausstieg noch jährlich im mittleren zweistelligen Milliardenbereich lagen, wurden die Kosten für die Schadensbeseitigung und Endlagerung mittlerweile komplett auf die Gesellschaft umgelegt. Dieses sozial ungerechte Spiel ging in Deutschland bereits volkswirtschaftlich nicht auf. Dabei hatten wir das Glück, von atomaren Unfällen weitestgehend verschont geblieben zu sein. Wie stellt sich die Kosten-Nutzen-Analyse erst für Staaten dar, die mit Ewigkeitskosten für einen großen atomaren Unfall zu kämpfen haben?
Und billig wird Atomkraft auch in Zukunft nicht sein. Der Neubau von Atomkraftwerken kostet derzeit zwischen 10 und 30 Milliarden Euro, bei Planungs- und Bauphasen zwischen 8 und 16 Jahren. Selbst wenn man die ungelöste Atommüllfrage und die Sicherheitsrisiken beiseitestellt, werden die tatsächlichen Kosten von Atomstrom weit unterschätzt. Die Produktionskosten für die Kilowattstunde (kWh) Strom aus neuen AKW betragen 14-19 ct/kWh. Hinzu kommen die Folgekosten von Atomkraft mit über 76 ct/kWh. Zum Vergleich: Strom aus Wind kostet 4 bis 8 ct/kWh, Photovoltaik 3 bis 6 ct/kWh. (Daten: Fraunhofer ISE, UBA, DIW / 2021).
Die Geschichte der Atomstromerzeugung endet nun also in Deutschland, längst aber nicht in den Nachbarländern. Die Gefahr eines atomaren Unfalls in Zentraleuropa bleibt. Dass es nicht stimmt, dass die Atomkraft für die Sicherheit des zukünftigen Energiesystems nötig wäre, zeigt eindrücklich der desolate Atomkraftwerkspark in Frankreich. Dieser sollte eigentlich stetig und zuverlässig Grundlast für das französische Netz liefern. Für die Zukunft wird französische Atomkraft auch als Teil des Stromausgleichs für Deutschland eingeplant, und zwar dann, wenn die Versorgungslagen am kritischsten sind. Aber heute bereits ist auf die französische Atomkraft bereits für das Stromsystem kein Verlass. Ausgerechnet bei starker Hitze und Kälte, also dann, wenn die Versorgungslage am kritischsten ist, fällt die Atomkraft Frankreichs in Größenordnungen aus, wegen zu niedriger Pegelstände, wegen überhitzter Flüsse und auch wegen ständig defekter Anlagentechnik. Atomkraft wird so unabhängig von ihren Risiken sogar zum Sicherheitsproblem für die Stromversorgung. Deshalb gibt es nur eine Devise: Nicht nur in Deutschland, auch im Rest Europas und auf der ganzen Welt muss die Atomkraft beendet werden und endlich ein neues Verständnis für die Vorteile der Erneuerbaren Energiebereitstellung einkehren. Diese Vorteile sind für das Weltklima, für die Volkswirtschaftlichkeit und für Generationengerechtigkeit unschlagbar.
Es gibt nun also eine Sorge weniger, mit der wir uns in der Bundesrepublik befassen müssen. Die Gefahr eines atomaren GAUs aus einem deutschen Atomkraftwerk wird bald nicht mehr bestehen. Das ist ein hoch zu schätzender Erfolg von tausenden engagierten Bürgerinnen und Bürgern der Anti-Atom-Bewegung, die über Jahrzehnte die Märchen der Atomlobby Stück für Stück zerlegt haben, so dass letztendlich auch die Bundesregierungen unter CDU und SPD aussteigen mussten. Aber die Geschichte ist hier noch nicht zu Ende. Mit der Brennelementefabrik in Lingen und der Urananreicherungsanlage Gronau stehen noch immer atomare Anlagen ohne Laufzeitbeschränkung für private Profitmaximierung. Nun gilt es, diese ebenfalls zu schließen und den nachfolgenden Generationen, die sich mit unseren Ewigkeitslasten herumschlagen müssen, wenigstens eine Art Entschuldigung zu hinterlassen: das Verbot von Atomkraft für alle Zeit in das Grundgesetz aufzunehmen.