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Jan Korte spricht während einer Fraktionssitzung der Linksfraktion im Clara-Zetkin-Saal des Bundestages © DBT/Thomas Imo/photothekFoto: DBT/Thomas Imo/photothek

AKK und der neue Traditionserlass der Bundeswehr

Nachricht von Jan Korte,

Von Jan Korte, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag

 

Wie verkorkst die Reform des Traditionsverständnisses bei der Marine ist, zeigt das Interview mit Kapitän zur See Dr. Jörg Hillmann, dem Kommandeur des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr (ZMSBw) im Tagesspiegel. Im aktuell diskutierten Fall des Kapitäns zur See Hans Langsdorff, der sich im Dezember 1939 weigerte in ein aussichtloses Gefecht mit britischen Schiffen zu ziehen, stattdessen sein Schiff "Graf Spee" vor der Küste Uruguays versenkte, nachdem er vorher die Besatzung in Buenos Aires an Land gehen ließ und so über 1000 Seeleute rettete, versucht Hillmann das unrühmliche Traditionsverständnis der Marine zu rechtfertigen und verbreitet dabei hanebüchene Positionen.

Als Begründung, warum die Marine Langsdorff bislang nicht oder wenn, dann nur äußerst kritisch, behandelt hat, führt Hillmann an, dass Langsdorffs Handeln ja zu "negativen Folgen" geführt habe: "Nämlich der daraufhin folgende Befehl von Hitler und Großadmiral Raeder, zukünftig bis zur letzten Granate zu kämpfen und das Verbot, die weiße Flagge zu stecken."

Wow. Verstehe ich das richtig? Schuld am Totalen Seekrieg des Nazis war also eigentlich Langsdorff? Diejenigen, die Mut bewiesen und sich verweigerten, sollen die Verantwortung dafür tragen, dass die Nazis die Kriegsführung radikalisierten und über Leichenberge gingen?

Bei so viel Geschichtsklitterung verwundert es auch nicht weiter, dass Hillmann es schon quasi als Heldentat darstellt, wenn die Deutsche Marine kein eindeutig negatives Urteil über Langsdorff fällt, sondern es den Besucherinnen und Besuchern des Marinemuseums überlässt zu entscheiden, was das bessere Verhalten eines Kapitäns in einer Grenzsituation ist. Langsdorff wird dabei das Beispiel von Flottenchef Günther Lütjens auf der Bismarck, der 1941 getreu Hitlers Befehl mit dem Schlachtschiff bis zum Untergang kämpfte, gegenübergestellt, "um den Besucherinnen und Besuchern deutlich zu machen, man konnte es so machen oder so."

Also übersetzt: Beides war möglich, aber Langsdorffs Verhalten war eben Befehlsverweigerung und daher per se schlecht, wenn auch vielleicht naiv moralisch gut gemeint.

Wer hingegen verbrecherische Befehle befolgte und zur rücksichtslosen Opferung der Soldaten im Zweiten Weltkrieg bereit war, der gilt nach wie vor als Held und nach dem werden selbstverständlich Zerstörer der Bundesmarine benannt. Denn dem ranghöchsten im Einsatz gefallenen deutschen Seeoffizier des Zweiten Weltkriegs muss natürlich auch heute die Marine huldigen. Denn wie sagte es das frühere NSDAP-Mitglied spätere Bundespräsident Karl Carstens, als es darum ging ein Signal an die Öffentlichkeit zu senden, dass die Wehrmacht nun auch offiziell für die Bundeswehr traditionswürdig geworden sei: Der Name Lütjens möge "durch sein unbeirrbares Verantwortungsbewusstsein und hingebungsvolle Pflichttreue den kommenden Generationen als Vorbild dienen".

Und dabei gilt Hillmann innerhalb der Marinehistorikerzunft als vergleichsweise liberal.

DIE LINKE im Bundestag verlangt deshalb in einer Kleinen Anfrage Aufklärung über den "Umsetzungsstand des neuen Traditionserlasses in der Marine". Zudem habe ich mich in einem Schreiben an Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) gewandt und eine Positionierung im Fall Langsdorff gefordert. Auf die Antworten kann man gespannt sein.