Agrarkonzerne kaufen die Ukraine auf
Im Wortlaut
von
Niema Movassat,
Von Niema Movassat Im Windschatten des Krieges in der Ukraine und weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit findet ein massiver Ausverkauf von ukrainischem Agrarland an nationale und internationale börsennotierte Agrokonzerne, westliche und nicht-westliche Staaten statt. Dieses Phänomen, das auch als "Landgrabbing" bezeichnet wird, kennt man sonst aus den Ländern des Südens. Die Folgen für die Kleinbäuerinnen und- bauern sind verheerend. Sie verlieren ihr Land und werden allenfalls als billige Arbeitskräfte von den Agrarkonzernen eingestellt. Verarmung und Bodenkonzentration in den Händen Weniger sind die Folge.
In einer Kleinen Anfrage zu Landgrabbing in der Ukraine habe ich versucht, Informationen zur Landübernahme zu erfassen. In der Antwort der Bundesregierung bestätigt das Landwirtschaftsministerium das immense Ausmaß von Landgrabbing und gibt an, dass bereits die Hälfte der landwirtschaftlichen Fläche in der Ukraine von Großunternehmen bewirtschaftet wird. Das größte davon, die Agrarholding "UkrLandFarming", besitze allein rund 670 000 Hektar. Zum Vergleich: Selbst landwirtschaftliche Großbetriebe in Deutschland bewirtschaften maximal bis zu 12.000 Hektar. Ukraine könnte zum zweitgrößten Getreideexporteur der Welt aufsteigen Während das Land durch einen Krieg zerrissen wird, schafft der Westen durch Deals im Landwirtschaftsbereich harte Fakten. Früher galt die Ukraine als "Kornkammer" der Sowjetunion, weil sie über ertragreiche Schwarzerde-Böden verfügt und die Anbaufläche mit 32 Millionen Hektar etwa doppelt so groß wie Deutschland ist. Die Ukraine ist heute weltweit drittgrößter Mais- und fünftgrößter Weizenexporteur, außerdem werden große Mengen Raps produziert, der zur Agrosprit-Gewinnung nach Westeuropa exportiert wird. Laut Studien hat die Ukraine sogar das Potential, zweitgrößter Getreideexporteuer nach den USA zu werden. Der zunehmende Ausverkauf der landwirtschaftlichen Fläche geht einher mit einer massiven Privatisierungspolitik. Der abgesetzte Präsident Viktor Janukowitsch hatte im November 2013 das EU-Assoziierungsabkommen abgelehnt. Dieses Abkommen sieht Privatisierungen und Deregulierungen auch im Landwirtschaftssektor vor. So bezieht sich der Artikel 404 der EU-Vereinbarung auf die Landwirtschaft und macht den Weg frei für eine Lockerung der gängigen Zertifizierungspraktiken, gentechnisch verändertes Saatgut und Erleichterungen für die Agroindustrie. Die Ukraine zählt zu den vielversprechenden Wachstumsmärkten für die Saatgutproduzenten Monsanto und DuPont. Im Mai 2014 gewährten der IWF und die Weltbank Kredite in Höhe von 20,5 Milliarden Euro, weil der neue Präsident Poroschenko neoliberalen Reformen wie der Erhöhung des Rentenalters und der Absenkung der Gaspreise zugestimmt hat. Die Vermutung liegt nahe, dass der Transfer von Ackerland an börsennotierte Unternehmen in Verbindung mit diesen Krediten steht. Auch die deutsche Bundesregierung und die EU unterstützen diesen Ausverkauf des ukrainischen Landes mit Millionenbeiträgen direkt und indirekt. So sind die Kredite der Europäischen Bank für Wiederaufbau (EBWE), die osteuropäische Staaten in die Marktwirtschaft führen soll und auf Privatisierung setzt, an ukrainische und internationale Agrokonzerne zuletzt kräftig angestiegen. Während 2013 noch 45 Millionen Euro an ukrainische Unternehmen gezahlt wurden, hat sich diese Zahl 2014 mit 131 Millionen Euro bereits verdreifacht. Bei den ausländischen Konzernen stieg die Summe gleichzeitig von 122 Millionen auf 186 Millionen Euro. Deutschland ist Anteilseigner der EBWE. In welcher Weise mit diesen Geldern das Ziel der Ernährungssouveränität erreicht werden kann, bleibt fraglich. Existenz von Kleinbauern bedroht In der Ukraine sind auch deutsche Unternehmen aktiv. Unter anderem der Agrarhändler Toepfer International (heute ADM Germany), der 2012 von der EBWE ein Darlehen über 50 Millionen Dollar "für den Einkauf von Getreide und Ölsaat" erhalten hat. Für landwirtschaftliche Projekte, die von Seiten des deutschen Landwirtschaftsministeriums im Rahmen des Bilateralen Kooperationsprogramms in der Ukraine durchgeführt werden, sind für 2015 bisher rund 1,2 Millionen Euro geplant. Mit einem Twinning-Projekt der EU mit der ukrainischen Regierung werden Grundstücksbewertung, Bodenverwaltung, Vermessung und die Erstellung eines Bodenkatasters in Höhe von 1,8 Millionen Euro finanziert. Das deutsche Landwirtschaftsministerium finanziert seit 2008 auch das "Deutsche Agrarzentrum in der Ukraine" (DAZ), das Schulungen für Landwirte anbietet. Gründungsmitglieder der DAZ-Trägerorganisation sind unter anderen deutsche Agrarfirmen, darunter auch Toepfer/ADM und der Staatgut-Hersteller KWS. Bisher sind hierfür rund 2,5 Millionen Euro geflossen. Bei diesen Schulungen spielen auch Unternehmen wie Bayer und BASF eine große Rolle – die Frage ist, in welchem Ausmaß? Diese und andere Fragen werde ich weiterhin verfolgen. Fest steht aber schon jetzt: Die EU und die Bundesregierung müssen die Zusammenarbeit mit der ukrainischen Regierung im Landwirtschaftssektor aussetzen. Erstens ist die Intensivierung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit angesichts der instabilen politischen Situation und Menschenrechtsverletzungen, die auch der Armee von Präsident Poroschenko vorgeworfen werden, unverantwortlich. Zweitens zerstören solche Landkäufe die Existenz von kleinbäuerlichen Strukturen und nutzen den Agrarmultis, die vor allem für den Export produzieren und ihre eigenen Profitinteressen bedienen. linksfraktion.de, 18. Februar 2015
In einer Kleinen Anfrage zu Landgrabbing in der Ukraine habe ich versucht, Informationen zur Landübernahme zu erfassen. In der Antwort der Bundesregierung bestätigt das Landwirtschaftsministerium das immense Ausmaß von Landgrabbing und gibt an, dass bereits die Hälfte der landwirtschaftlichen Fläche in der Ukraine von Großunternehmen bewirtschaftet wird. Das größte davon, die Agrarholding "UkrLandFarming", besitze allein rund 670 000 Hektar. Zum Vergleich: Selbst landwirtschaftliche Großbetriebe in Deutschland bewirtschaften maximal bis zu 12.000 Hektar. Ukraine könnte zum zweitgrößten Getreideexporteur der Welt aufsteigen Während das Land durch einen Krieg zerrissen wird, schafft der Westen durch Deals im Landwirtschaftsbereich harte Fakten. Früher galt die Ukraine als "Kornkammer" der Sowjetunion, weil sie über ertragreiche Schwarzerde-Böden verfügt und die Anbaufläche mit 32 Millionen Hektar etwa doppelt so groß wie Deutschland ist. Die Ukraine ist heute weltweit drittgrößter Mais- und fünftgrößter Weizenexporteur, außerdem werden große Mengen Raps produziert, der zur Agrosprit-Gewinnung nach Westeuropa exportiert wird. Laut Studien hat die Ukraine sogar das Potential, zweitgrößter Getreideexporteuer nach den USA zu werden. Der zunehmende Ausverkauf der landwirtschaftlichen Fläche geht einher mit einer massiven Privatisierungspolitik. Der abgesetzte Präsident Viktor Janukowitsch hatte im November 2013 das EU-Assoziierungsabkommen abgelehnt. Dieses Abkommen sieht Privatisierungen und Deregulierungen auch im Landwirtschaftssektor vor. So bezieht sich der Artikel 404 der EU-Vereinbarung auf die Landwirtschaft und macht den Weg frei für eine Lockerung der gängigen Zertifizierungspraktiken, gentechnisch verändertes Saatgut und Erleichterungen für die Agroindustrie. Die Ukraine zählt zu den vielversprechenden Wachstumsmärkten für die Saatgutproduzenten Monsanto und DuPont. Im Mai 2014 gewährten der IWF und die Weltbank Kredite in Höhe von 20,5 Milliarden Euro, weil der neue Präsident Poroschenko neoliberalen Reformen wie der Erhöhung des Rentenalters und der Absenkung der Gaspreise zugestimmt hat. Die Vermutung liegt nahe, dass der Transfer von Ackerland an börsennotierte Unternehmen in Verbindung mit diesen Krediten steht. Auch die deutsche Bundesregierung und die EU unterstützen diesen Ausverkauf des ukrainischen Landes mit Millionenbeiträgen direkt und indirekt. So sind die Kredite der Europäischen Bank für Wiederaufbau (EBWE), die osteuropäische Staaten in die Marktwirtschaft führen soll und auf Privatisierung setzt, an ukrainische und internationale Agrokonzerne zuletzt kräftig angestiegen. Während 2013 noch 45 Millionen Euro an ukrainische Unternehmen gezahlt wurden, hat sich diese Zahl 2014 mit 131 Millionen Euro bereits verdreifacht. Bei den ausländischen Konzernen stieg die Summe gleichzeitig von 122 Millionen auf 186 Millionen Euro. Deutschland ist Anteilseigner der EBWE. In welcher Weise mit diesen Geldern das Ziel der Ernährungssouveränität erreicht werden kann, bleibt fraglich. Existenz von Kleinbauern bedroht In der Ukraine sind auch deutsche Unternehmen aktiv. Unter anderem der Agrarhändler Toepfer International (heute ADM Germany), der 2012 von der EBWE ein Darlehen über 50 Millionen Dollar "für den Einkauf von Getreide und Ölsaat" erhalten hat. Für landwirtschaftliche Projekte, die von Seiten des deutschen Landwirtschaftsministeriums im Rahmen des Bilateralen Kooperationsprogramms in der Ukraine durchgeführt werden, sind für 2015 bisher rund 1,2 Millionen Euro geplant. Mit einem Twinning-Projekt der EU mit der ukrainischen Regierung werden Grundstücksbewertung, Bodenverwaltung, Vermessung und die Erstellung eines Bodenkatasters in Höhe von 1,8 Millionen Euro finanziert. Das deutsche Landwirtschaftsministerium finanziert seit 2008 auch das "Deutsche Agrarzentrum in der Ukraine" (DAZ), das Schulungen für Landwirte anbietet. Gründungsmitglieder der DAZ-Trägerorganisation sind unter anderen deutsche Agrarfirmen, darunter auch Toepfer/ADM und der Staatgut-Hersteller KWS. Bisher sind hierfür rund 2,5 Millionen Euro geflossen. Bei diesen Schulungen spielen auch Unternehmen wie Bayer und BASF eine große Rolle – die Frage ist, in welchem Ausmaß? Diese und andere Fragen werde ich weiterhin verfolgen. Fest steht aber schon jetzt: Die EU und die Bundesregierung müssen die Zusammenarbeit mit der ukrainischen Regierung im Landwirtschaftssektor aussetzen. Erstens ist die Intensivierung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit angesichts der instabilen politischen Situation und Menschenrechtsverletzungen, die auch der Armee von Präsident Poroschenko vorgeworfen werden, unverantwortlich. Zweitens zerstören solche Landkäufe die Existenz von kleinbäuerlichen Strukturen und nutzen den Agrarmultis, die vor allem für den Export produzieren und ihre eigenen Profitinteressen bedienen. linksfraktion.de, 18. Februar 2015