Auch zehn Jahre nach der Einführung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) ist Diskriminierung in Deutschland immer noch kein Randphänomen. In den letzten zwei Jahren hat fast jeder dritte Mensch in Deutschland Diskriminierung erlebt, und zwar wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität.
Zu der vor zehn Jahren vorhergesagten Klageflut ist es nicht gekommen – im Gegenteil. Dass sich so wenige Menschen dazu entschließen, gegen eine erlebte Diskriminierung vor Gericht zu ziehen, ist nicht verwunderlich. Neben den finanziellen Hürden und der Schwierigkeit für die oder den Einzelnen, eine Diskriminierung zu beweisen, stellt eine Individualklage eine enorme emotionale Belastung dar, zumal häufig ein strukturelles Ungleichgewicht oder sogar ein Abhängigkeitsverhältnis besteht. Beispielsweise dem eigenen Arbeitgeber Diskriminierung vorzuwerfen, kann nicht nur das Arbeitsklima, sondern auch das Arbeitsverhältnis gefährden.
Insbesondere für einen effektiven Abbau von mittelbarer Diskriminierung aus strukturellen Gründen ist die Verankerung eines Verbandsklagerechts im AGG notwendig. Dass Frauen durchschnittlich einen um 21 Prozent geringeren Arbeitslohn bekommen als Männer liegt zum größten Teil an strukturellen Ursachen, die sich mit einer Individualklage nicht beseitigen lassen. Selbst wenn eine Frau in einem Betrieb auf gleiche Bezahlung klagt, was selten genug geschieht, gilt das Urteil nur für sie und nicht für die Kolleginnen. Diskriminierende Entlohnungssysteme und Tarifvertragsstrukturen finden für sie weiter Anwendung.
Die Fraktion DIE LINKE fordert:
- Ein echtes Verbandsklagerecht für Antidiskriminierungsverbände, Gewerkschaften und Vertretungen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern auf Feststellung, dass gegen ein Diskriminierungsverbot des AGG verstoßen wurde.
- Die „kleine Verbandsklage“ auch für qualifizierte Antidiskriminierungsverbände und die Antidiskriminierungsstelle des Bundes, und zwar bei allen Verstößen gegen das AGG.
- Erhebliche Erweiterung der derzeitigen Verfahrensfristen des AGG von nur zwei Monaten.
- Im Falle einer festgestellten Diskriminierung soll entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs den Angehörigen der benachteiligten Gruppe die gleiche Behandlung zuteilwerden wie den anderen („Anpassung nach oben“).
- Umsetzung der europarechtlichen Vorgaben, wonach Sanktionen von Diskriminierungen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein müssen. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes soll wegen „opferlosen“ Verstößen gegen das AGG Sanktionen verhängen können.