Tarifverträge regeln kollektiv für die Beschäftigten Arbeitszeit, Entgelt und zahlreiche weitere Ansprüche. Ein starkes Tarifsystem sorgt für gute Arbeitsbedingungen und höhere Löhne. So verdienen Vollzeitbeschäftigte in tarifgebundenen Betrieben im Schnitt rund 11 Prozent mehr als in nicht tarifgebundenen Betrieben. Insbesondere Flächentarifverträge verhindern sogenannte Schmutzkonkurrenz und garantieren für alle Betriebe einer Branche die gleichen Vorrausetzungen. Statt über Lohndumping wird der Wettbewerb so über Einfallsreichtum und Qualität ausgetragen.
Doch die Tarifbindung in Deutschland befindet sich auf anhaltender Talfahrt: Verglichen mit 1998 ist der Anteil der Beschäftigten in tarifgebundenen Betrieben in West- und Ostdeutschland deutlich geschrumpft. Damals galt in Westdeutschland für 76 Prozent der Beschäftigten ein Tarifvertrag, in Ostdeutschland für 63 Prozent der Beschäftigten. 2020 arbeiteten nur noch 53 Prozent der westdeutschen und 45 Prozent der ostdeutschen Beschäftigten in Betrieben mit Tarifvertrag. In Westdeutschland teilte sich das folgendermaßen auf: 45 Prozent der Beschäftigten arbeiten in einem Betrieb mit Branchentarifvertrag und 8 Prozent unter einem Firmen- oder Haustarifvertrag. In Ostdeutschland sind es 32 bzw. 11 Prozent.
Die Erhöhung der Tarifbindung ist von zentraler Bedeutung. Tarifverträge auszuhandeln ist zwar Sache der Tarifparteien („Tarifautonomie“). Doch kann der Staat die entsprechenden Rahmenbedingungen setzen, die das Aushandeln von guten Tarifverträgen erleichtern. Neben Maßnahmen zur Verbesserung der Verhandlungsmacht der Gewerkschaften – wie der Zurückdrängung prekärer Beschäftigungsformen – kommt dem Instrument der Allgemeinverbindlicherklärung (AVE) eine zentrale Bedeutung zu. Das bedeutet, dass ein Tarifvertag vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales auf Grundlage des Tarifvertragsgesetzes (TVG) oder des Arbeitnehmerentsendegesetzes (AEntG) auch auf alle nicht tarifgebundenen Arbeitgeber und Beschäftigten im tariflichen Geltungsbereich erstreckt wird. Darüber hinaus sind Tariftreuegesetze ein wichtiger Hebel, um die Tarifbindung zu stärken. Die öffentliche Hand vergibt Aufträge und Konzessionen so nur noch an Unternehmen, die Tariflöhne zahlen. Auf Bundesebene gibt es solch ein Gesetz bisher nicht. Dabei sind die Aufträge auf Bundesebene ein einflussreicher Wirtschaftsfaktor: Die OECD geht von einem jährlichen Beschaffungsvolumen der öffentlichen Hand von 500 Milliarden Euro in Deutschland aus, davon entfallen schätzungsweise 20 Prozent auf den Bund.
Gleichzeitig sind die Möglichkeiten der Tarifflucht weiter einzuschränken, insbesondere indem sogenannte OT-Mitgliedschaften (Mitgliedschaften ohne Tarifbindung) im Arbeitgeberverband verboten und die kollektive Fortgeltung von Tarifverträgen bei Umwandlungen und Betriebsübergängen sichergestellt werden.
Die Fraktion DIE LINKE fordert:
- die Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen zu erleichtern.
- über ein Tariftreuegesetz auf Bundesebene sicherzustellen, dass öffentliche Aufträge nur noch an Unternehmen vergeben werden sollen, die Tariflöhne zahlen.
- Tarifflucht zu erschweren, indem OT-Mitgliedschaften im Arbeitgeberverband verboten und die kollektive Fortgeltung von Tarifverträgen bei Umwandlungen und Betriebsübergängen sichergestellt werden.
Die Tarifflucht der Arbeitgeber ist ein Ergebnis der Deregulierung des Arbeitsmarktes. Die Agenda 2010 zielte auf die Schwächung der Gewerkschaften ab. Zuvorderst ist es natürlich Aufgabe der Gewerkschaften, ihre Organisationsmacht und die Tarifbindung zu erhöhen. Der Gesetzgeber setzt hierfür allerdings die Rahmenbedingungen. Daher fordert die Fraktion DIE LINKE die Erleichterung der Allgemeinverbindlich-Erklärung von Tarifverträgen und die strikte Begrenzung von prekärer Beschäftigung. Außerdem kämpft die Fraktion DIE LINKE dafür, dass es mehr statt weniger Streikrechte gibt.
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