Über 20.000 Kinder und Jugendliche in Deutschland haben ihren Lebensmittelpunkt auf der Straße. Eine einheitliche Definition des Begriffes "Straßenkinder" gibt es nicht. Auf keinen Fall darf und kann die Situation der Straßenkinder in Deutschland mit der Situation von Straßenkindern in bspw. südamerikanischen Ländern verglichen werden. UNICEF unterscheidet zwischen "Kindern der Straße" und "Kindern auf der Straße". Zur ersten Gruppe zählen Kinder und Jugendliche, die die meiste Zeit ihres Tages auf der Straße verbringen und eventuell dort arbeiten, aber trotzdem bei ihren Eltern oder Freunden schlafen. Zur zweiten Gruppe zählen obdachlose Kinder und Jugendliche, die ihren Lebensmittelpunkt auf der Straße haben und dort auch schlafen.
Die Ursachen, warum Kinder und Jugendliche ihren Lebensmittelpunkt auf der Straße suchen, sind verschieden. Bei der Mehrheit der Fälle kann nicht ein einzelner Faktor als Erklärung herangezogen werden, sondern ein gemeinsames Auftreten mehrerer Faktoren. Den meisten Straßenkindern gemeinsam ist, dass sie in ihrer Familie negativen Erlebnissen ausgesetzt waren und Strukturen der örtlichen Kinder- und Jugendhilfe nicht in der Lage waren, durch präventive Angebote bzw. Unterstützung ein Abrutschen in ein Straßenmilieu zu vermeiden. Viele von ihnen waren in ihren Familien mit materieller und emotionaler Armut konfrontiert, die sich vor allem durch Gewalt, Missbrauch und Vernachlässigung manifestiert hat. Einige haben sich auf Grund dieser Erfahrungen und scheinbarer Alternativlosigkeit entschieden, ein Leben auf der Straße zu führen bzw. dorthin ihren Lebensmittelpunkt zu verlegen. Dazu zählen auch Jugendliche, die zwar noch bei ihren Eltern leben, aber so viel wie möglich auf die Straße fliehen, zum Teil Tage und Wochen nicht nach Hause zurückkehren. Demgegenüber stehen die Fälle, in denen Kinder und Jugendliche von ihren Eltern auf die Straße gesetzt werden. Andere wiederum verlassen Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen, in denen sie gegen ihren Willen untergebracht worden sind, oder aber werden mit Vollendung des 18. Lebensjahres von der Jugendhilfe vor die Tür gesetzt. Darunter befinden sich auch sogenannte unbegleitete minderjährige Ausländer:innen (UMA). Überproportional hoch ist auch der Anteil queerer Jugendlicher. Fluchtpunkte für viele Straßenkinder sind überwiegend Großstädte, in denen sie Gleichgesinnte treffen und Unterstützung erhalten können.
Statt die Jugendsozialarbeit bedarfsgerecht auszubauen und die soziale Infrastruktur insgesamt zu stärken, sitzt die Bundesregierung die Problematik aus. Vielerorts wird ordnungspolitisch auf Straßenkinder reagiert, Kinder und Jugendliche werden als Täter wahrgenommen und nicht als häufig aus der Not heraus handelnde junge Menschen, die für sich keinen anderen Ausweg sehen. Ebenso werden die Jugendlichen als Verweigerer gegenüber einer Ausbildungs- oder Arbeitsmarktpolitik wahrgenommen. Das muss sich ändern.
Die LINKE streitet für:
- Sofortige Angebote an obdachlose Jugendliche, die ihnen ein Dach über dem Kopf bieten und Perspektiven eröffnen (Housing First).
- Bessere Organisationsmöglichkeiten von Kindern und Jugendlichen, um ihren Interessen Gehör zu verschaffen wie bspw. die Straßenkinderkonferenz oder der Care Leaver.
- Einen Ausbau der Kinder- und Jugendhilfe. Neben der Prävention, um Kinder und Jugendliche vor einem Abrutschen besser zu schützen, müssen Strukturen zur aktiven Arbeit mit Straßenkindern wie die Mobile Jugendarbeit oder Streetwork ausgebaut werden, um allen Kindern und Jugendlichen Möglichkeiten der Unterstützung zukommen zu lassen.
- Eine Entkriminalisierung von Straßenkindern und eine bessere Wahrnehmung ihrer Lebenssituation.
- Einen leichten Zugang zu medizinischer Versorgung.
- Die Abkehr von Methoden der sogenannten schwarzen Pädagogik wie der Geschlossenen Unterbringung.