Die Stromnetze in Deutschland haben eine Länge von rund 1, 8 Millionen Kilometer. Der größte Teil entfällt auf die Verteilnetze der Niederspannungsebene und Regionalnetze der Mittelspannungsebene. Über diese Netze läuft die Versorgung von einzelnen Haushalten und Gewerbebetrieben. Auch die meisten Erneuerbare-Energien-Anlagen speisen in das Verteilnetz ein. Die Übertragungsnetze überwinden größere Distanzen. Nur Großkraftwerke und großtechnologische Erneuerbare-Energien-Anlagen wie Offshore-Windparks speisen hier ein. Um zukünftigen Stromverbrauch regulieren zu können, werden Modelle für einen Ausbau der Übertragungsnetze entworfen. Gesetzlich geregelt wird der Ausbau durch das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG), das Energieleitungsausbaugesetz (EnLAG), das Netzausbaubeschleunigungsgesetz (NABeG) und seit 2011 durch den Netzentwicklungsplan (NEP).
Netzentwicklungspläne
Dem Netzentwicklungsplan liegen drei Szenarien zugrunde, die jeweils zehn Jahre in die Zukunft geführt werden: Szenario A geht davon aus, dass alle Bestandsanlagen und geplanten Anlagen der konventionellen (fossil-atomar) Stromerzeugung im Prognosezeitraum in Betrieb bleiben bzw. gehen und kein weiterer Ausbau der erneuerbaren Energien stattfindet. Szenario B ist das für am wahrscheinlichsten gehaltene Leitszenario und wird sogar über 20 Jahre in die Zukunft geführt. Es geht davon aus, dass im Bereich der konventionellen Energien vermehrt Erdgaskraftwerke gebaut werden und der Bestand an Erneuerbare-Energien-Anlagen weiter ausgebaut wird. Szenario C geht davon aus, dass auf konventioneller Seite vermehrt Erdgaskraftwerke errichtet werden, während der Zubau der Erneuerbaren Energien regionalisiert entsprechend der Ziele der Bundesländer erfolgt.
Bei der Netzplanung gilt zudem das Sicherheitskriterium, nachdem ein Betriebsmittel (ein Kraftwerk oder eine große Leitung) komplett ausfallen können muss, ohne dass es im Gesamtnetz dadurch zu Ausfällen kommt (sogenanntes (n-1)-Kriterium). Die Jahreshöchstlast des Verbrauchs an einem bestimmten Ort muss abgedeckt sein.
Die Übertragungsnetzbetreiber streben ein engpassfreies Netz an, in dem es nahezu zu keinem Lastmanagement (Redispatch) bei Überproduktion in einer Region und Unterproduktion in einer anderen kommt. Die Netze werden marktorientiert darauf ausgerichtet, dass jedes Großkraftwerk, ob fossil oder erneuerbar, zu jeder Zeit entsprechend der Stromnachfrage Strom veräußern, also handeln kann – das nicht nur regional, sondern in einem europäischen Binnenmarkt.
Während der Konsultationsphasen der alle zwei Jahre neu entwickelten Netzentwicklungspläne können bei den Übertragungsnetzbetreibern schriftliche Stellungnahmen abgegeben werden. Parallel zu der öffentlichen Konsulation führt die Bundesnetzagentur eine strategische Umweltprüfung der im NEP genannten Maßnahmen durch und erstellt einen Umweltbericht. Anschließend wird ein Bundesbedarfsplan formuliert. Dieser wird nach Überprüfung als Gesetz verabschiedet und ist somit rechtsverbindlich.
Um den Bundesbedarfsplan in eine tatsächliche Umsetzung zu bringen, werden auf der Bundesfachplanung mögliche Trassen-Korridore festgelegt. Im folgenden Planfeststellungsverfahren werden genaue Orte für die Maststandorte oder den Streckenverlauf der Erdkabel ausgeführt. Auch hier gibt es eine Antragskonferenz und eine Umweltverträglichkeitsprüfung.
Kritik an NEPs
Die NEPs sind für die Öffentlichkeit kaum nachzuvollziehen. Da die Szenariorahmen für die Netzausbauprognosen durch die Übertragungsnetzbetreiber selbst entwickelt werden und auch die notwendigen Lastflussmodellierungen durch die ÜNB selbst durchgeführt werden und die Modellierungsalgorithmen Betriebsgeheimnisse der NEPs sind, ist es weder für die Öffentlichkeit noch für die Bundesnetzagentur als Regulierungsbehörde möglich, die Berechnungen zu überprüfen; also ihre Richtigkeit festzustellen. In der Öffentlichkeit entsteht so der Eindruck, dass die Netzbetreiber den erforderlichen Netzausbau gewollt überbewerten. Dies umso mehr, als gemäß der Festlegungen der Bundesnetzagntur und der Stromnetzentgeltverordnung Netzbetreiber derzeit eine gesetzlich garantierte Rendite von 7 Prozent auf 40 Prozent des eingesetzten Eigenkapitals erhalten. Kurzum: Je mehr Netze gebaut werden, desto mehr Rendite machen die Netzbetreiber.
Der Europäische Rahmen
Die Rolle des Übertragungsnetzausbaus im Rahmen der europäischen Marktentwicklung lässt ebenso Fragen offen. Allein für Deutschland werden bis 2035 über 18 Gigawatt Transitstromlast in der Spitze prognostiziert (heute: rund 7 GigawattDer angestrebte Netzausbau erscheint unter den europäischen Vorgaben fast zwangsläufig, denn die deutschen Übertragungsnetze sollen „fit gemacht“ werden für die zentrale Lage Deutschlands in einem europäischen Binnenmarkt. Dabei wird auch die europäische Netzentwicklungsplanung von den selben Akteuren betrieben: Der Verbund der europäischen Übertragungsnetzbetreiber ENTSO-E, zu dem auch die vier deutschen ÜNBs zählen, entwickelt die europäische Netzplanung und speist diese dann als unumstößlich in die nationale Netzplanung ein. Durch diese Methode wird die Netzausbauprognostik zur selbsterfüllenden Prophezeiung: ein großer Teil der deutschen Netzentwicklungspläne stammt aus den europäischen Netzentwicklungsplänen TYNDP, während sich die TYNDPs wiederum an den nationalen Netzausbaupläne orientieren. DIE LINKE fordert daher, die europäische Netzplanung durch eine dritte, unabhängige Stelle im Rahmen eines Gutachtens verifizieren und bewerten zu lassen, die durch die Übertragungsnetzbetreiber und die ENTSO-E (Verband Europäischer Übertragunsnetzbetreiber) prognostiziert wird. Dazu ist die Freigabe der Lastflussmodelle und ihrer Eingangsparameter zwingend erforderlich.
Die Netzausbauplanung bis 2030 ist derzeit mit 36 Milliarden Euro veranschlagt. Bei den gegenwärtigen Marktrahmen werden zusätzliche Stromtrassen, insbesondere die geplanten Gleichstromkorridore, hauptsächlich die Rentabilität fossiler Braunkohlekraftwerke verlängern, da Strom aus Braunkohle als billiger Strom besser in das europäische Ausland gehandelt werden kann. Weder eine Versorgungslücke in Süddeutschland noch die Schreckensszenarien eines explodierenden Strompreises durch Lastmanagement oder Preiszonentrennung konnten bislang nachgewiesen werden, sollte auf den Netzausbau in der geplanten Form verzichtet werden. Der Netzausbau behindert die Energiewende und steigert die Kosten für den Normalverbraucher. Eine Verlagerung von Trassen in andere Regionen ist keine Lösung.
Die LINKE fordert für zukünftige Netzplanung:
- dass die Potenziale einer regionalen Energiespeicherung, zum Beispiel durch die Verknüpfung von Stromnetzen mit Wärmespeichern, in die Plaung einfließen;
- dass die Übertragungsnetze als Element der öffentlichen Daseinsvorsorge und natürliches Monopol vergesellschaftet werden, damit kein Profitinteresse mehr am Stromleitungsbau besteht und es einheitliche Netzentgelte geben wird;
- dass die großen Stromerzeuger an den Transportkosten des Stromes beteiligt werden;
- dass das Stromsystem so dezentral wie möglich und nur so zentral wie nötig gestaltet wird.