In Lateinamerika nehmen die Auseinandersetzungen um den politischen Kurs, insbesondere um die Wirtschafts- und Sozialpolitik, zu und werden immer schonungsloser ausgetragen.
Nach einer langen Phase fortschrittlicher Regierungen, die immer wieder in Wahlen bestätigt worden waren, gelingt es den alten Eliten Lateinamerikas zunehmend, an die politische Macht zurückzukehren. Wo sie dabei nicht auf das demokratische Votum der Bevölkerung hoffen können, setzen sie auf Destruktion.
Von Beginn an waren die linken Regierungen Lateinamerikas permanent der Bedrohung durch Sabotage bis hin zu Putschen ausgesetzt. Erinnert sei an den Militärputsch in Honduras (2009) und den parlamentarischen Putsch in Paraguay (2012) sowie die fehlgeschlagenen Putschversuche in Venezuela (2002) und Ecuador (2010).
Im September 2016 wurde die demokratisch gewählte Präsidentin Brasiliens, Dilma Rousseff, in einem offensichtlich politisch motivierten Verfahren aus dem Amt entfernt, das demokratischen und rechtsstaatlichen Grundsätzen hohnspricht. Sie selbst und ihre Arbeiterpartei (PT) sprechen von einem Putsch. Viele Menschen protestierten gegen die Absetzung. Lateinamerikanische Nachbarländer zogen ihre Botschafter zurück. Der Vorgang ist eine schwere Belastung für den lateinamerikanischen Integrationsprozess, der zu Beginn der 2000er Jahre so hoffnungsvoll Fahrt aufgenommen hatte. Die Absetzung der gewählten Präsidentin stellt die sozialen Errungenschaften der vergangenen Jahre in Frage und ist eine Bedrohung für die Menschenrechte in Brasilien.
Deutschland und die EU dürfen den undemokratischen Machtwechsel in Brasilien nicht zum Anlass nehmen, die Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und dem Staatenbündnis Mercosur, dem Brasilien, Argentinien und Venezuela angehören, nun beschleunigt voranzutreiben. Die freihandelskritische und anti-neoliberale Position von Dilma Rousseff ist in den letzten Präsidentschaftswahlen klar bestätigt worden. Die neoliberale Wirtschaftspolitik der neuen Regierung hat sich noch keinem Votum der Wählerinnen und Wähler gestellt. Die EU und ihre Mitgliedsstaaten sollten auch nicht der Versuchung erliegen, sich im Interesse des von ihnen angestrebten Freihandelsabkommens in die inneren Auseinandersetzungen Venezuelas einzumischen oder gar die Opposition in ihrem konfrontativen Kurs zu unterstützen.
In Venezuela stehen sich Regierung und Opposition unversöhnlich gegenüber. Hunderttausende demonstrieren für und gegen die Regierung. Auf der Seite der Regierung stehen diejenigen, die über Jahrhunderte ausgegrenzt waren und durch die sozialistische Regierung erstmals politische und wirtschaftliche Teilhabe erfahren haben. Sie sind nicht bereit, diese Teilhabe wieder aufzugeben. Auf der anderen Seite sehen wir an der Spitze der Opposition diejenigen Kräfte, die Jahrhunderte lang die gesamte Macht und den gesamten Reichtum für sich beanspruchten. Bei der Verteidigung ihrer Privilegien sind sie auch in der Vergangenheit nicht zimperlich vorgegangen. Der Hungeraufstand von 1989 wurde von der damals herrschenden Elite blutig niedergeschlagen – es gab 3000 Tote. Damals regierte in Venezuela die von der SPD unterstützte "Demokratische Aktion".
Die bürgerliche Opposition schreckt in ihrem Protest gegen die linke Regierung nicht vor Gewalt zurück. Die zahlreichen Fälle von Lynchjustiz durch die Demonstranten und Angriffe auf unbeteiligte Dritte müssen endlich auch international verurteilt werden. Ebenso müssen Übergriffe von staatlichen Sicherheitskräften aufgeklärt und die Verantwortlichen verurteilt werden. DIE LINKE spricht sich weiterhin für jede Art von Dialog in Venezuela aus, der zurzeit von der Regionalorganisation Unasur und dem Vatikan unterstützt wird. Kritische Fragen hat DIE LINKE hinsichtlich der Neugestaltung des Institutionengefüges. Insbesondere die Aushebelung des Parlaments kritisieren wir.
Es gibt auch hoffnungsvolle Entwicklungen in Lateinamerika: In Kolumbien läuft der Friedensprozess, der einen 50-jährigen Bürgerkrieg beenden soll, weiter. Ende 2016 wurde ein Friedensvertrag zwischen der Regierung und der Rebellenorganisation FARD abgeschlossen. Mittlerweile ist die FARC nahezu vollständig entwaffnet. Deutschland und die EU müssen diesen Prozess weiter unterstützen, insbesondere in der Umsetzung. Die Linksfraktion wird sich dafür einsetzen, dass unsere vielen Partner in Kolumbien, aktive Friedensgruppen und soziale Bewegungen, hier einbezogen bleiben.
Kuba als Gastland und Pate der Friedensverhandlungen hat seine wachsende und positive Rolle in der internationalen Politik damit unterstrichen. Dazu gehört auch die Neuordnung der kubanischen Beziehungen zu den USA und der EU. Die Linksfraktion begrüßt diese Entwicklung, insbesondere das zwischen der EU und Kuba ausgehandelte bilaterale Abkommen. Es muss schnell abgeschlossen und mit Leben erfüllt werden. Auch die EU-Mitgliedstaaten können von den Anregungen, die aus diesem politischen Dialog entstehen, profitieren.
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