Die Armut von Kindern und Jugendlichen verharrt seit Jahren auf einem hohen Niveau. In kaum einem anderen hochindustrialisierten Land hängen die Chancen auf ein erfülltes und selbst bestimmtes Leben so eng mit den finanziellen Verhältnissen im Elternhaus zusammen. Deswegen sind eine gute soziale Infrastruktur und eine starke Kinder- und Jugendhilfe, verbunden mit einer armutsfesten Kindergrundsicherung, wesentliche Voraussetzung, um Chancengerechtigkeit zu ermöglichen, allen Kindern und Jugendlichen Perspektiven zu eröffnen sowie ihnen Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu gewähren. Hieran mangelt es.
Die Coronakrise mit ihren Ausgangsbeschränkungen und der Schließung fast aller Einrichtungen hat Kinder und Jugendliche sowie ihre Familien auf sich selbst zurückgeworfen. Die Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen wurden komplett ausgeblendet, ihre Beteiligungsrechte defacto außer Kraft gesetzt. Hier ließen sich bilderbuchhaft die Ansätze des neoliberalen Krisenmanagements aufzeigen: Die Risiken der Krise wurden ins Private abgeschoben, die Gesellschaft fühlte sich nur noch für den so genannten Kinderschutz zuständig. Bei allen Öffnungsszenarien standen die Angebote für Kinder und Jugendliche hinten. Kinderarmut und soziale Spaltung haben zugenommen, die Folgen werden noch lange zu spüren sein, auch da es an einem entsprechenden politischen Willen mangelt.
Kinder und Jugendliche leiden besonders unter dem Sozialabbau im Bereich der öffentlichen und sozialen Infrastruktur der letzten Dekaden. Der Ausbau der Kinderbetreuung hängt den Erfordernissen hinterher. Schulsozialarbeit wird an zu wenigen Schulen praktiziert. Angebote der außerschulischen Kinder- und Jugendarbeit sowie der Jugendsozialarbeit wurden abgebaut. Das Bildungs- und Teilhabepaket deckt nicht den verfassungsrechtlich verbrieften Anspruch und kommt bei den meisten von Armut betroffenen Kindern und Jugendlichen nicht an. Auch der Raum für freie Zeit, Entwicklung und ehrenamtliches Engagement z. B. in Jugendverbänden, der Kommune oder Sportvereinen ist zusehends gewichen. Es wird immer noch über Kinder und Jugendliche und deren Bedürfnisse geredet anstatt mit ihnen. Kommunale Beteiligungsprozesse erreichen viele junge Menschen gar nicht erst. Es werden immer noch zu viele junge Menschen ausgeschlossen insbesondere in sogenannten sozialen Brennpunkten.
Ebenso sind Kinder und Jugendliche von einem wachsenden Leistungsdruck hinsichtlich Ausbildung und Arbeitsmarktteilhabe betroffen. Viele haben nicht die Möglichkeit, sich hier eine gute Perspektive aufzubauen. Nach wie vor werden von der Wirtschaft nicht genügend Ausbildungsplätze angeboten. Nur noch 20 Prozent der Betriebe bilden aus. Schüler:innen ohne bzw. mit niedrigem Schulabschluss sind überwiegend chancenlos auf Grund einer Bestenauslese durch die Betriebe. Die nicht versorgten Ausbildungsplatzsuchenden werden im Übergangssystem in Warteschleifen geparkt oder von Jugendberufsagenturen betreut. Andere haben sich aufgegeben. Sechs Prozent eines Jahrgangs verlassen die Schule ohne Abschluss. Wiederum andere werden als nicht „ausbildungsreif“ eingestuft. Vielen droht nach der Ausbildungs- die Arbeitslosigkeit. Jede:r vierte Jugendliche:r ist von Armut bedroht. Insgesamt zwei Millionen junge Menschen im Alter zwischen 20 und 34 Jahren haben keine abgeschlossene Ausbildung. Und all dies trotz Fachkräftemangel!
Damit alle Kinder und Jugendlichen an der Gesellschaft teilhaben und ein selbstbestimmtes Leben führen können, fordert DIE LINKE:
- die Aufnahme der Rechte von Kindern und Jugendlichen ins Grundgesetz.
- mehr Möglichkeiten der direkten Mitbestimmung für Kinder und Jugendliche vor allem in ihrem Lebensumfeld sowie in Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe.
- eine Kindergrundsicherung, die alle Kinder und Jugendlichen vor Armut schützt und ihnen gesellschaftliche Teilhabe eröffnet.
- die Einführung einer Ausbildungsumlage, die Erweiterung des Kreises der Anspruchsberechtigten für die Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) und ein deutlich erhöhtes, elternunabhängiges BAföG.
- eine nachhaltige finanzielle Absicherung der Kinder- und Jugendhilfe, um außerschulische Kinder- und Jugendarbeit sowie Jugendsozialarbeit zu stärken, sowie die Auflage eines Sonderprogrammes, um weggefallene Strukturen der Kinder- und Jugendarbeit wie auch der Jugendsozialarbeit neu aufbauen bzw. bestehende Investitionsstaus in Einrichtungen von Jugendarbeit, Jugendsozialarbeit oder Jugendbildungsarbeit auflösen zu können.
- eine Stärkung des Rechtes auf Selbstorganisation sowie der Jugendverbandsarbeit und eine Aufstockung des Kinder- und Jugendplans des Bundes.
- eine Arbeitsmarktpolitik, die den Eintritt in das Berufsleben erleichtert sowie eine Ausweitung der Rechte von jungen Arbeitnehmer:innen beinhaltet.