Einhundert Jahre nach dem Erkämpfen des Wahlrechts haben Frauen immer noch nicht die gleichen Chancen auf ein selbstbestimmtes Leben wie Männer. Sie erhalten pro Arbeitsstunde durchschnittlich 21 Prozent weniger Geld als Männer und arbeiten fast doppelt so häufig im Niedriglohnsektor. In den Vorständen deutsche Unternehmen gibt es mehr Vorstandsmitglieder, die Thomas oder Michael heißen, als alle Frauen zusammen.
Im europäischen Vergleich gehört Deutschland damit zu den Schlusslichtern bei der Gleichstellung der Geschlechter. Obwohl Frauen Männer in den letzten Jahrzehnten bei den Bildungsabschlüssen ein- und überholt haben, sehen sie sich im Berufs- und Familienleben immer noch mit struktureller Benachteiligung und einer traditionellen Geschlechterordnung konfrontiert. Gleichstellungspolitik ist daher für DIE LINKE. vor allem eine Frage der Herstellung von Geschlechtergerechtigkeit. Diese besteht sowohl in der Anfechtung von klar fixierten männlichen und weiblichen sozialen Rollen als auch im Eintreten für die gleiche Teilhabe von Frauen, Männern sowie Menschen, die jenseits der Norm der Zweigeschlechtlichkeit leben, an allen gesellschaftlichen Bereichen und Ressourcen und ihren Schutz vor Diskriminierung und Gewalt.
Gleichstellung ist eine Querschnittsaufgabe: Alle Politikbereiche müssen hinsichtlich ihrer Wirkung auf die Gleichstellung der Geschlechter überprüft werden. Das bedeutet eine angemessene Repräsentanz von Frauen in Entscheidungsgremien der Politik, Wirtschaft, Bildung und Kultur, etc. Es bedeutet eine Steigerung der Frauenerwerbsquote in gut entlohnten, unbefristeten und sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen und die Beendigung der partnerabhängigen Leistungsberechnung bei Arbeitslosigkeit. Es bedeutet zudem ein faires und zeitgemäßes Steuerrecht. Erst mit einem echten Verbandsklagerecht in Diskriminierungsfällen wird die Durchsetzung von Menschenrechten nicht mehr dem Zufall überlassen.
Die Fraktion DIE LINKE. fordert daher:
- Gleicher Lohn für gleiche und gleichwertige Arbeit durch ein wirksames Entgeltgleichheitsgesetz mit einem echten Verbandsklagerecht. Auch die Tarifverträge und ihre Anwendungspraxis müssen durch die Sozialpartner geschlechtergerecht überarbeitet werden. Die Unternehmen müssen direkte und mittelbare Ungleichbezahlung in ihren Entgeltsystemen durch zertifizierte Prüfverfahren aufdecken und beheben. Die „SAHGE-Berufe“, also Soziale Arbeit, Haushaltsnahe Dienstleistungen, Gesundheit, Pflege und Erziehung, müssen deutlich besser entlohnt werden. Einen gesetzlichen Mindestlohn in Höhe von zwölf Euro. Und Minijobs müssen als zentrale Stützpfeiler des Niedriglohnsektors mit sozialversicherungspflichtiger Arbeit gleichgestellt werden.
- Beschäftigte brauchen mehr Arbeitszeitsouveränität. Das individuelle Recht auf Teilzeit muss uneingeschränkt gelten sowie ein echtes Rückkehrrecht auf Vollzeit für alle gesetzlich verankert werden.
- Alle politischen Mandate und öffentlichen Ämter sollen geschlechterparitätisch besetzt werden. Ein Gleichstellungsgesetz für die private Wirtschaft muss Unternehmen strafbewährt verpflichten, die eigenen Strukturen regelmäßig auf Geschlechterdiskriminierung zu untersuchen und solche mit verbindlichen Gleichstellungsmaßnahmen zu beheben.
- Abschaffung des Ehegattensplittings! Statt der milliardenschweren Subventionierung des männlichen Allein- oder Hauptverdienermodells müssen Familien mit Kindern entlastet werden und ganz besonders die Armutsgefährdung von Ein-Eltern-Familien beendet werden.
- Partnerschaftlichkeit großschreiben: Zwölf nicht übertragbare Monate Elterngeld und mehr zeitliche Flexibilität für beide Elternteile, um die ungleiche Verteilung der unbezahlten Sorgearbeit aufzubrechen.
- Niemand soll in Belastungssituationen alleine für ihre Rechte kämpfen müssen. Deshalb muss das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetzes durch ein echtes Klagerecht für Verbände verbessert werden. Frauen brauchen einen Rechtsanspruch auf Schutz vor Gewalt. Die verbindliche, ausreichende und verlässliche Finanzierung von Schutz- und Hilfseinrichtungen muss garantiert sein.
- Die soziale Infrastruktur für Familie, Kinder und Jugendliche muss wieder ausgebaut werden. Dazu gehört eine gebührenfreie bedarfs- und altersgerechte Kinderganztagsbetreuung, auch außerhalb der regulären Öffnungszeiten.