Das nationale Emissionshandelssystem für CO2-Emissionen in den Sektoren Verkehr und Wärme (nEHS), wie es die Bundestagsmehrheit im Dezember 2019 mit dem Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) beschlossen hat, lehnt die LINKE. ab.
Das nEHS trat im Januar 2021 in Kraft und erfasst die Emissionen aus der Verbrennung fossiler Brenn- und Kraftstoffe (insbesondere Heizöl, Flüssiggas, Erdgas, Kohle, Benzin, Diesel). Dabei umfasst das System im Sektor Wärme die Emissionen der Wärmeerzeugung des Gebäudesektors und der Energie- und Industrieanlagen außerhalb des EU-Emissionshandelssystems (EU-ETS). Im Verkehrsbereich umfasst es ebenfalls Emissionen aus der Verbrennung fossiler Kraftstoffe, jedoch nicht den Luftverkehr, der dem EU-ETS unterliegt. Teilnehmer am nEHS sind die Inverkehrbringer oder Lieferanten der Brenn- und Kraftstoffe.
Aus unserer Sicht eignen sich Sektoren mit derart hohen CO2-Vermeidungskosten, wie es bei Wärme und Verkehr der Fall ist, nicht für eine CO2-Bepreisung. Sie sind zunächst vielmehr das Feld konsequenter Ordnungs- und Förderpolitik sowie staatlicher Infrastrukturmaßnahmen. Erst Preise von über 100 Euro je Tonne CO2 haben in diesen Sektoren eine Wirkung auf Investitionen. Dieses Preisniveau wird wahrscheinlich (wenn überhaupt) erst Ende der 20er Jahre erreicht. Bis 2030 sind in diesem System aber nur maximal 65 Euro je Tonne vorgesehen. Wir brauchen jedoch schon heute in allen Sektoren jene Investitionen und Richtungsentscheidungen, die uns in den kommenden Jahren zuverlässig Klimagaseinsparungen liefern.
Außerdem treten trotz geplanter Rückzahlungssysteme an die Bevölkerung - sei es über die Pendlerpauschale oder über die EEG-Umlage – gerade bei hohen CO2-Preisen soziale Verwerfungen auf, die ungerecht sind. So viele Härtefallregelungen könnte die Bundesregierung kaum zielsicher konstruieren, wie in der Realität auftreten werden. Vor allem Alleinstehende mit niedrigem Einkommen auf dem Land mit weiten Wegen und schlechter ÖPNV-Anbindung kann es hier hart treffen.
Bei CO2-Preisen im Stromsektor verhält es sich umgekehrt. Dort können etwa CO2-Mindstpreise die Defizite des EU-Emissionshandels korrigieren. Diese haben im Vergleich zu CO2-Preisen im Bereich Wärme und Verkehr bereits bei einem vergleichsweisen niedrigen Niveau (ab 30 Euro je Tonne CO2) spürbare Klimaschutzwirkungen, dabei aber wenig Verteilungswirkungen. Aber auch sie wollen wir nur als Ergänzung zu einem ordnungsrechtliche Kohleausstieg nutzen.
Ein Tempolimit, das Verbot des fossilen Verbrennungsmotor ab 2030 für Pkws, der massive Ausbau von Bahn und ÖPNV, ein umfassendes und mietrechtlich abgesichertes Unterstützungsprogramm für Mieter*innen sowie selbstnutzende Eigentümer*innen bei der energetischen Gebäudesanierung, welches eine Warmietenneutralität der Sanierungen garantiert - all das fehlt im Klimaschutzprogramm 2030 der Bundesregierung weitgehend. Und zwar weil die Koalition zum Schutz von Lobbyinteressen lieber auf einen fragwürdigen nationalen Emissionshandel für die Sektoren Wärme und Verkehr statt auf unmittelbar wirksame Maßnahmen setzt, für die man sich mit mächtigen Lobbygruppen anlegen müsste.
Wir meinen: Erst wenn im Verkehr und beim Wohnen ausreichend Alternativen und Abfederungen für die Menschen bereitstehen, weil Maßnahmen, wie die von uns geforderten, greifen, wären im Bereich Wärme und Verkehr CO2-Preise ergänzend denkbar. Sie könnten dann als Anreiz zu klimaschutzgerechten Verhalten wirken. Geht man den umgekehrten Weg, bedeuten sie für einen Teil der Bevölkerung, und zwar den ärmeren, Einkommensverluste oder Energiearmut.
Eine weitere Gefahr für den Klimaschutz besteht in der vorgesehenen späteren Einbindung des nationalen Emissionshandels ins Europäische Emissionshandelssystem. Somit könnten bereits existierende Probleme des Europäischen Emissionshandels auch den Mobilitäts- und Wärmebereich infizieren, beispielsweise der noch einige Jahre existierende gigantische Überschuss an Zertifikaten, die – zumindest ohne CO2-Mindestpreis – zum erneuten Preisverfall führen könnten.
Die angedachte Einbindung in den Europäischen Emissionshandel hätte ferner einen einheitlichen CO2-Preis zur Voraussetzung. Der würde sich dann aber voraussichtlich deutlich unter den eingangs genannten Wirkungsschwellen für die Bereiche Wärme und Mobilität bewegen. Für diese beiden Sektoren könnte dies weitere Verzögerungen für effektive Klimaschutzmaßnahmen bedeuten.
Im Übrigen könnte das BEHG von Gerichten wegen handwerklichen Fehlern kassiert werden. In dem Fall hätten wir wieder Jahre im Klimaschutz verloren.
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