„Digitale Gewalt“ bezeichnet alle Formen von Gewalt, die sich technischer Hilfsmittel oder digitaler Medien bedienen, sowie Gewalt, die im digitalen Raum stattfindet, also bspw. im Rahmen von Online-Portalen oder sozialen Plattformen. Der Begriff wird häufig synonym für ‚Hatespeech‘ verwendet, meint darüber hinaus aber auch digitale Formen von Gewalt im sozialen Nahraum (auch Partnerschaftsgewalt genannt). Auch dazu gehören Mini-Kameras in semi-öffentlichen Räumen wie Umkleiden oder Toiletten oder digitale Formen des Stalkings durch Bekannte und Unbekannte.
Von Hatespeech, also Bedrohungen, Verleumdungen, Beleidigungen in Sozialen Medien mit dem Ziel der Herabwürdigung, oft mit diskriminierenden Motiven, gibt es fließende Übergänge zu Verfolgung jenseits des Netzes und Bedrohung mit physischer Gewalt. Hatespeech kann alle Menschen treffen, in besonderer Weise wird sie aber gegen Angehörige von marginalisierten Gruppen wie LSBTIQ*, Muslim*innen, Frauen gerichtet. Sie ist antisemitisch, rassistisch, ableistisch: sie reproduziert gesellschaftliche Machtverhältnisse. Aber auch Antifaschist*innen, zivilgesellschaftlich Engagierte, Feminist*Innen, Journalist*innen oder Politiker*innen erleben Bedrohungen, die ihren – teils organisierten - Ursprung im Netz haben.
Beispiele für digitale Gewalt als Form der Partnerschaftsgewalt kann die Überwachung durch Kameras und Mikrofone sein, das heimliche oder offene Mitlesen digitaler Kommunikation oder die (Fern-)Kontrolle ‚smarter‘ Geräte. Sie findet statt, wenn Ex-Partner*innen damit gedroht wird, intime Bilder von ihnen zu veröffentlichen oder an Bekannte, Kolleg*innen oder Familienangehörige zu schicken. Sie findet statt, wenn Software heimlich oder offen auf Mobilgeräte aufgespielt wird, mit der Telefonate mitgehört, Nachrichten und E-Mails gelesen, Fotos angesehen und der Aufenthalt in Echtzeit mitverfolgt werden kann: Solche Software ist als „Stalkerware“ oder „Spyware“ bekannt.
Für Betroffene fehlt es an adäquaten Unterstützungsmöglichkeiten. Fachberatungsstellen zu geschlechtsspezifischer Gewalt und Frauenhäuser sind seit Jahren zunehmend mit den Phänomenen der digitalen Gewalt konfrontiert, haben aber keine zusätzlichen Ressourcen dafür und sind an sich schon unterfinanziert. Das betrifft auch die eigene Weiterbildung und die Absicherung der eigenen IT-Infrastruktur. Strafverfolgungsbehörden sind unzureichend qualifiziert. Ihnen fehlt es an Interesse und Ressourcen, um die verschiedenen Formen digitaler Gewalt richtig einzuordnen und ihnen mit den vorhandenen Mitteln des Straf- und Zivilrechts adäquat zu begegnen.
DIE LINKE fordert wirkliche Unterstützung für die Betroffenen und die gesellschaftliche Anerkennung eines Problems, das viel zu wenig wahrgenommen wird. Es müssen wissenschaftliche Studien zu Umfang, Formen und wirksamen Strategien der Bekämpfung digitaler Gewalt gefördert werden. Dazu hat sich die Bundesregierung mit der Ratifizierung der Istanbul-Konvention verpflichtet. Beratungsstellen und Frauenhäuser brauchen Mittel für die eigene Weiterbildung und IT-Ausrüstung, außerdem müssen Technik-Kompetenzzentren eingerichtet werden, an die sie sich bei Bedarf wenden können. Für Polizei und Justiz müssen Weiterbildungen verpflichtend sein. Die Impressumspflicht muss verändert werden, so dass niemand mehr die eigene Privatadresse dort veröffentlichen muss. Stalkerware, die auf Mobilgeräten nicht erkennbar ist, muss verboten werden. Wir brauchen öffentlich geförderte Aufklärung über die Gefahren digitaler Gewalt, die sich an alle Altersgruppen wendet.