Das Comprehensive Economic Trade Agreement (CETA) zwischen der EU und Kanada wurde von 2009 bis 2016 ausgehandelt und bereits von Kanada und der EU ratifiziert. Dadurch ist eine vorläufige Anwendung möglich. Zum endgültigen Inkrafttreten ist eine Ratifizierung in allen EU-Mitgliedsstaaten erforderlich. Der über 2.000 Seiten starke Vertragstext gliedert sich in 30 Kapitel. Bei CETA handelt es sich, wie beim TTIP-Abkommen mit den USA, um ein Handelsabkommen der neuen Generation. Das heißt, im Gegensatz zu klassischen Freihandelsabkommen spielen Zölle nur noch eine Nebenrolle. Diese sind zwischen Kanada und der EU ohnehin bereits auf sehr niedrigem Niveau.
Vielmehr geht es um den Abbau so genannter nicht-tarifärer Handelshemmnisse; also um unterschiedliche Regulierungen und Zulassungsverfahren, von denen man annimmt, dass sie den Waren- und Dienstleistungshandel behindern. Dabei geht es allerdings nicht nur um Produktregulierungen wie die Farbe von Autoblinkern, sondern auch und vor allem um Regeln des Umwelt-, Verbraucher- und Arbeitnehmerschutzes. Diese sollen im Sinne von Konzerninteressen geschleift werden. Zwar befassen sich eine Kapitel in CETA mit nachhaltiger Entwicklung, Umwelt und Arbeitnehmerrechten. Verbindliche, einklagbare Schutzrechte sind jedoch nicht enthalten.
Starke Durchsetzungsmöglichkeiten gibt es hingegen im Bereich der besonders umstrittenen Investorenrechte (Kapitel 8). Die vereinbarten Marktzugangsregeln für Investoren untersagen unter anderem die Bevorzugung kommunaler Anbieter bei der öffentlichen Auftragsvergabe, die Verweigerung von Konzessionen für große Ketten zum Schutz lokaler Einzelhändler, staatliche Subventionen, bspw. zur Gewährleistung eines öffentlichen Bildungsangebotes usw. Sollten diese Regeln verletzt werden, hätten Investoren die Möglichkeit, vor Schiedsgerichten Schadensersatz einzuklagen. Die Erfahrung mit bestehenden Abkommen hat gezeigt, wie willkürlich derartige Klagerechte eingesetzt werden, um Umweltstandards, Arbeitnehmerrechte und Verbraucherschutz zu attackieren.
Auch öffentliche Dienstleistungen geraten durch die Investorenrechte und weitere Liberalisierungsvorschriften in Gefahr. Zwar gibt es im Anhang eine Liste mit ausgenommen Bereichen. Diese ist allerdings als Negativliste aufgebaut, was bedeutet, dass alle Bereiche erfasst sind, die nicht explizit ausgenommen werden – auch Bereiche, die erst in Zukunft entstehen, unterliegen so automatisch den CETA-Regeln. Vereinbarungen, nach denen öffentliche Unternehmen profitorientiert arbeiten müssen, erhöhen zudem den Privatisierungsdruck. So genannte Sperrklinkenklauseln machen es extrem schwer, einmal privatisierte Dienstleistungen wieder zu vergesellschaften. Das könnte gerade im Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge zu einem großen Problem werden.
DIE LINKE lehnt derartige Abkommen ab. Wir stehen für eine Neuausrichtung der EU-Handelspolitik. Arbeitnehmer-, Umwelt- und Verbraucherschutz müssen Vorfahrt haben, vor privaten Profitinteressen. Vor allem aus politischen Gründen, aber auch weil CETA mit dem deutschen Grundgesetz unvereinbar ist, haben wir vor dem Bundesverfassungsgericht gegen das Abkommen geklagt, zahlreiche parlamentarische Initiativen ergriffen, um das Abkommen zu stoppen, zuletzt mit dem Antrag „Europa- und Verfassungsrecht wahren – vorläufige Anwendung von CETA verhindern“.
Ob CETA endgültig und dauerhaft in Kraft tritt, ist noch nicht entschieden. Da Bereiche in nationaler Zuständigkeit erfasst sind, handelt es sich um ein so genanntes gemischtes Abkommen, das auch von den Mitgliedsstaaten ratifiziert werden muss. In Deutschland braucht es die Zustimmung von Bundestag und Bundesrat, die erst nach den Bundestagswahlen 2017 eingeholt werden sollen. Besonders in Belgien, Frankreich und Österreich ist CETA sehr umstritten.