Die Bundewehr ist heute das ‚Lieblings-Sorgenkind‘ einer neuen, ganz großen Koalition von AfD bis zu den GRÜNEN. Allenthalben wird die völlige Desolatheit der Ausstattung der Armee beklagt. Die Bundeswehr hat seit 1990 mehrere Reformen durchlaufen, 2011 wurde die Wehrpflicht (vorerst) ausgesetzt. Spätestens seit 2013 war in Thinktanks, Politik und Wirtschaft jedoch der Ruf nach einer stärkeren Rolle des Militärs in der deutschen Außenpolitik immer lauter geworden (vgl. ‚Neue Macht – neue Verantwortung‘, Okt. 2013). Die Ukraine-Krise ab 2014 mit der völkerrechtswidrigen Sezession und Besetzung der Krim durch Russland schuf den willkommenen Anlass, um eine „Trendwende für die Bundeswehr“ auszurufen (so die damalige Verteidigungsministerin von der Leyen). Das ‚Weißbuch der Bundeswehr‘ stellte das Grundlagendokument für diese neue Ausrichtung dar. Allein von 2014 bis 2021 sind dafür die Militärausgaben (nach NATO-Kriterien) von 34 Mrd. auf 53 Mrd. Euro gestiegen, das ist ein Aufwuchs von fast 50 Prozent innerhalb von sieben Jahren.
Nun soll angesichts des Kriegs Russlands gegen die Ukraine noch einmal eine weitere gigantische Aufrüstung losgetreten werden: Mit der voraussichtlichen Verdopplung der Militärausgaben 2022 gegenüber 2014 auf insgesamt mehr als 70 Mrd. Euro – vor allem durch die Einrichtung eines Sondervermögens von 100 Mrd. Euro – will Olaf Scholz der Zwei-Prozent-Aufrüstungsvorschrift der NATO Genüge tun. Deutschland allein wird damit in den nächsten fünf Jahren jedes rund fünf Mrd. Euro mehr für Rüstung ausgeben als der gegenwärtige Hauptgegenspieler des gesamten Westens, Russland. Mit dieser Steigerungsrate der Militärausgaben liegt Deutschland dann auch weit vor Frankreich und wird es 2022 (nach NATO-Kriterien) weit hinter sich lassen1). Aber weder wurde der Ukraine-Krieg durch die bisherige Aufrüstung verhindert noch scheint es realistisch, dass ein Konflikt mit einer Atommacht wie Russland konventionell entschieden werden könnte, auch nicht durch eine 100-Milliarden-Aufrüstung. Insofern ist auch die Fortführung der Ausbildung ukrainischer Soldat:innen in Deutschland an schweren Waffen nur abenteuerlich – er droht, die Bundeswehr und damit Deutschland zur aktiven Kriegspartei werden zu lassen, wie ein von der LINKEN angefordertes Gutachten der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags feststellt.
Begleitet von einer umfassenden Berichterstattung über Materialmängel bei der Bundeswehr wird damit eine neue Runde der Aufrüstung der deutschen Armee politisch vorbereitet: Bereits vor der aktuellen Eskalation des Ukraine-Kriegs wurden 2015 100 zusätzliche Leopard-2-Kampfpanzer geordert. Nach dem neuen Fähigkeitsprofil der Bundeswehr soll die Aufstellung der Bundeswehr offenbar verbreitert werden: Es sollen bis zu drei zusätzliche gepanzerte Brigaden geschaffen werden, alle Brigaden sollen wieder mit Artilleriebataillonen (Panzerhaubitzen) ausgestattet werden. Die Bundesrepublik soll Rahmennation für andere Armeen sein: Niederländische gepanzerte Verbände und eine tschechische Schnelle Brigade sind dem deutschen Kommando schon unterstellt. An diesen Plänen will die Ampelkoalition nichts ändern – im Gegenteil: Seit Kriegsbeginn sind noch massivere neue Planungen für die Aufstellung des Militärs in Arbeit – obwohl doch die Statistik zeigt, dass allein die europäischen NATO-Armeen jetzt schon gegenüber Russland eine mehr als doppelte Überlegenheit an Soldat:innen unter Waffen und bei Großwaffensystemen sogar eine oft mehrfache Überlegenheit aufweisen2). Diese Planungen zeigen: Es geht eben nicht nur um Ausrüstung, sondern um Aufrüstung. Deshalb nun ein massiver Kauf neuer Waffensysteme, obgleich Pannenserie und Teuerungswelle bei den schon laufenden Rüstungsprojekten unvermindert weitergehen, auch unter der jetzigen Ministerin, die – wie die beiden Vorgängerinnen auch – öffentlich schwor, „jetzt aber“ das Beschaffungswesen der Bundeswehr „wirklich“ zu reparieren. Puma, die nicht gefechtstauglich sind, A400M und Hubschrauber, die nicht fliegen, und jetzt auch Tankschiffe, deren Preis sich kurzerhand fast verdoppelt, während das Design vereinfacht wird: Das Missmanagement der Rüstungsbeschaffung insgesamt wird halbjährlich durch den Bericht zum Fortgang der 20 größten Rüstungsgroßprojekte der Bundeswehr schwarz auf weiß bestätigt. Die Teuerung allein bei diesen Projekten betrug Ende 2021 13,8 Mrd. Euro, wie das BMVg angibt. Die exorbitante Erhöhung der Rüstungsausgaben ist daher vor allem eine Lizenz zum Gelddrucken, die den Rüstungskonzernen zu Gute kommt.
Dennoch soll die Bundeswehr aber auch in Auslandseinsätzen präsent bleiben. Trotz der Widerstände in Mali lernt die Bundesregierung nicht aus dem Desaster des Afghanistan-Einsatzes, der 51 Soldat:innen das Leben gekostet hat: Die Bundeswehr soll bleiben, koste es, was es wolle. Die skrupellose Zusammenarbeit mit der Putschregierung Malis zeigt: Um Demokratie und Menschenrechte kann es in diesem Einsatz nicht gehen, eher schon um die Absicherung strategisch bedeutender Uranvorkommen im Nachbarland Niger und die gewaltsame Verhinderung von Flucht im Sahel.
Dies alles erhöht den Personalbedarf: Zum ersten Mal seit dem Ende des Kalten Krieges soll die Zahl der deutschen Soldat:innen wieder steigen. An die 40 Mio. Euro gibt die Bundeswehr jedes Jahr aus, um durch Werbekampagnen Heranwachsende anzulocken. Die Konsequenz, in Ausübung dieses Berufs töten zu müssen oder selbst getötet zu werden, wird in dieser Werbung nicht erörtert. Vor allem Jugendliche aus armen Verhältnissen ergreifen die ‚Chance‘ mit tödlichem Haken. Über die Hälfte der bisherigen Auslandseinsatztoten kommen aus Ostdeutschland oder haben einen Migrationshintergrund. Wie auch die PTBS-Opferstatistik zeigt dies, dass vor allem die gesellschaftlich Marginalisierten den Blutzoll und die Versehrungen für die globalen militärischen Ambitionen der Bundesregierung und der Bundeswehrführung tragen. Seit Jahren schon zeigt sich gleichzeitig in der „Truppe“ ein immer unverhohlenerer Kult mit entsprechenden Ritualen um Gewalt und rechte Inszenierungen dies belegt das Credo neurechter Offiziere (‚Armee im Aufbruch‘) genauso wie die Forderung des ehemaligen Heeresinspekteurs Budde, diese Armee brauche endlich „den archaischen Kämpfertyp“. Der „Staatsbürger in Uniform“ ist offenbar immer weniger Realität.
Sicherlich zeigten und zeigen sich bei der Bundeswehr in den letzten Jahren Symptome der Überlastung von Menschen und Material. Dies ist aber nicht Folge von zu wenig Ressourcen, sondern im Gegenteil die Folge einer Überdehnung der Streitkräfte im Streben nach einer immer größeren weltweiten Rolle für die deutschen Streitkräfte, im Schlepptau der USA. Die neue Militärdoktrin der Ampel-Koalition setzt auf Eskalation statt Verständigung mit Russland und auf Auslandseinsätze und damit auf eine Wiederholung des Desasters von Afghanistan im Sahel.
DIE LINKE. stellt demgegenüber fest: Auch wir wollen, dass die Bundeswehr angemessen ausgestattet ist. Was aber ansteht ist nicht die Ausdehnung der weltweiten Operationsgebiete für die Bundeswehr von Afghanistan bis Osteuropa, sondern die Rückbesinnung auf eine effektive territoriale Landesverteidigung. Die Bundeswehr braucht nicht mehr Geld, sondern den Abschied ihrer politischen Führung von globalen Ambitionen, Auslandseinsätzen und Osteuropapräsenz sowie ein Ende der massiven Förderung der Profite deutscher Rüstungsschmieden.
1) Frankreich gab 2014 46,8 Mrd. Dollar für sein Militär aus, und steigerte dies auf 58,7 Mrd. Dollar im Jahr 2021. vgl. www.nato.int/nato_static_fl2014/assets/pdf/2021/6/pdf/210611-pr-2021-094-en.pdf. Ru: siehe 2)
2) Alle Vergleichszahlen: s. IISS: Military Balance, 2021.