Als in Bernitt, einem Dorf südwestlich von Rostock, die alte Kaufhalle dichtmachte, gingen nicht nur dort die Lichter aus. Das ganze Dorf wurde ein wenig stiller, man lief sich nicht mehr zufällig über den Weg. Einkaufen ging natürlich, aber nicht mehr mitten im Dorf, sondern nur noch weit weg in einem der Supermärkte am Rande der nächsten Stadt. Es fehlte etwas im Dorf: ein Ort, um sich zu sehen und zu treffen und miteinander zu reden. Die Idee für einen neuen Dorfladen wurde geboren, beraten und erst mal wieder beiseitegelegt.
Als es dann vor etwa fünf Jahren eine Ausschreibung des Ministeriums für Energie, Infrastruktur und Landesentwicklung Mecklenburg-Vorpommern gab, holten die Bernitter ihre Idee wieder hervor und bewarben sich damit zur »Wiederbelebung der Dorfmitte Bernitt«. Vorgesehen war nicht nur die Eröffnung eines Dorfladens, in dem gekauft und verkauft werden sollte, sondern der Laden war gedacht als neue Begegnungsstätte. Ein Treff- und Kommunikationspunkt, eine Art Nachrichtenzentrale mit Café, Kantine, Bibliothek und Poststelle. Für einen allein zu viel, für eine Genossenschaft genau das richtige Vorhaben.
Aber schon die Gründung der Bernitter Dorfladen eG, so schildern es Janko Lücke, Aufsichtsratsvorsitzender der Genossenschaft, und Andrea Boldt vom Dorfladenteam, war ein Kraftakt. Unzählige Freizeitstunden gingen dabei drauf, dazu kam ein ungeahnter Bürokratieaufwand. Geeignete Räume mussten gefunden werden, da half die Gemeinde. Die leeren Räume brauchten Mobiliar, das Café benötigte eine Leseecke. Möbel- und Bücherspenden für die zehnköpfige Genossenschaft kamen aus dem ganzen Dorf zusammen. Schließlich fehlte noch das Anfangskapital, um zum Verkaufsstart die Regale im Dorfladen mit Waren zu füllen.
Das Geld, insgesamt 5.000 Euro, wurde viel schneller als gedacht eingeworben. Eine Crowdfunding-Aktion trug mit großen und kleinen Beträgen die stolze Summe zusammen. Freunde aus der Umgebung beteiligten sich, sogar Fans aus Frankreich und Brasilien waren mit von der Partie. So öffnete der Dorfladen seine Tür im Dezember 2016, nach immerhin dreijähriger Vorbereitungszeit.
Und alle kamen. Nicht nur die Dorfbewohner in jedem Alter, sondern auch die Neugierigen, Journalistinnen und Journalisten von Zeitung, Rundfunk und Fernsehen.
Der Aufwand hat sich gelohnt. Das Dorfladenteam organisiert Veranstaltungen, Verkostungen und Spieleabende direkt im Laden. Es geht aber auch auf Märkte in der Umgebung, richtet mobile Baustellencafés ein. Zurzeit wird eine Gruppe wandernder Zimmerergesellen und -gesellinnen im Dorf beherbergt, der Dorfladen versorgt sie mit Lebensmittelspenden. Die jungen Leute in Zimmermannskluft revanchieren sich für die Gastfreundschaft und bauen in der Dorfmitte einen neuen Spielplatz. Im Herbst wird dann wieder die mobile Apfelpresse aufgestellt. Hobbygärtner landauf, landab können ihr Obst zu Saft verarbeiten, und was sie selbst nicht verbrauchen, wird im Dorfladen angeboten. Für die nahe Zukunft ist ein Onlineshop geplant, dafür sucht die Bernitter Dorfladengenossenschaft noch ehrenamtliche Partner: Mitstreiter, die die Internetplattform aufbauen und pflegen. »Seit der Dorfladen eröffnet hat, rückt das Dorf wieder zusammen«, sagt Andrea Boldt hinter ihrer Kasse.