Familie braucht Zeit, kostet Geld und ist »nichts mehr, was einfach so da ist«, so das Statement von Alexander Nöhring auf der Familienkonferenz. Nöhring ist jung, selbst Vater und Geschäftsführer des Zukunftsforums Familie e. V. Familie sei überall dort, sagt er, »wo Menschen dauerhaft füreinander Verantwortung übernehmen, Sorge tragen und Zuwendung schenken«. Also auch bei Paaren ohne Trauschein, bei getrennt lebenden und trotzdem gemeinsam erziehenden Eltern, bei Alleinerziehenden, in Patchwork- und Regenbogenfamilien und immer auch dort, wo gepflegt wird.
Dieser bunte Mix von Familie ist längst Alltag. Nachweislich weniger gelebt wird mittlerweile die »traditionelle« Familienform. Wohnten 1997 Kinder unter 18 Jahren noch zu 81 Prozent in verheirateten Familien, waren es 20 Jahre später (2017) nur noch 70 Prozent. Rasant angestiegen sind dagegen Einelternfamilien. Derzeit gibt es 1,5 Millionen Alleinerziehende, 88 Prozent davon sind Mütter, 12 Prozent Väter. Etwa die Hälfte von ihnen muss mit einem monatlichen Haushaltsnettoeinkommen von unter 1.700 Euro auskommen. Für alles: Miete, Kleidung, Schule, Kita und fürs tägliche Brot. Dabei arbeiten alleinerziehende Mütter viel häufiger in Vollzeit als Mütter in Paarfamilien. Obendrein benachteiligt sie das Steuerrecht. Alleinerziehende besteuert die Regierung fast so hoch wie Singles. Bei vielen familienpolitischen Leistungen fallen sie mehrheitlich durch das Raster. Entweder, weil diese fast immer auf Paarfamilien zugeschnitten sind, oder weil sie mit anderen Transferleistungen verrechnet werden.
Lisa Yashodhara Haller von der Universität Hildesheim untersuchte den Einfluss staatlicher Faktoren auf die Arbeitsteilung junger Eltern. Immerhin hätten 60 Prozent gern mehr »Partnerschaftlichkeit« in Job und Familie. Dieser Wunsch scheitert allerdings am Verdienst. Noch immer sind Männer die »Hauptverdiener«, Frauen verdienen dazu, häufig in Teilzeit. Vätermonate, so die Wissenschaftlerin, würden darum auch gar nicht oder nur kaum genommen, weil viele Familien sich das »finanziell schlichtweg nicht leisten können«. Politikwissenschaftler Alexander Nöhring nennt diese alte neue Abhängigkeit »modernisiertes Ernährermodell«.
Das Fazit: Familienpolitik heute muss die besonderen Lebenslagen und Lebenskonstellationen im Auge haben. Neben Vater, Mutter, Kind eben auch Frau-Frau- oder Mann-Mann-Familien, Einelternfamilien, solche, die in Trennung leben, und die, in denen gepflegt wird. Sie alle brauchen mehr Zeit für Sorge- und Familienarbeit. Und ja, es geht dabei auch um Geld. Familien verdienen es – in welcher Lebensphase auch immer –, unterstützt und vor Armut geschützt zu werden.
Gisela Zimmer