»Es tut gut, wenn man mal was abgeben kann«, sagt Robert Knauerhase zufrieden. Der Mittdreißiger ist Pförtner im Bundestag und hat gemeinsam mit seinen Kolleginnen und Kollegen des Einlasskontrolldienstes die stolze Summe von 1.700 Euro gespendet – an Kinderlächeln e.V., einen Verein, der krebskranke Kinder unterstützt. »Wir wollten Solidarität, die uns widerfahren ist, weitergeben«, erklärt er.
Mit Solidarität meint er vor allem die seines Kollegen Heiko Geiger, der seit über acht Jahren mit ihm über die Eingänge des Bundestages wacht, meist als sogenannter Springer, immer in anderen Gebäuden des weitläufigen Parlamentsviertels. Jeden Tag muss er, wie viele andere seiner Kolleginnen und Kollegen, weite Wege in dem immer größer werdenden Gebiet der Bundestagsliegenschaften zurücklegen, um von seinem Umkleideraum zum Dienstort zu gelangen. Die innerbetriebliche Wegezeit wurde immer länger, jedoch nicht die Zeit, die die Bundestagsverwaltung als Arbeitszeit anerkannte. Das, dachte sich Heiko Geiger, müsste doch mal angepasst werden, und machte das Anliegen im Personalrat zum Thema.
Die Bundestagsverwaltung zeigte sich allerdings alles andere als gesprächsbereit: »Über ein Jahr lang hat die Verwaltung uns hingehalten«, berichtet Oliver Trampler, der die Pförtnerinnen und Pförtner als Mitglied des Personalrats vertritt. Er ist enttäuscht: »Gesprächen aus dem Weg zu gehen, ist keine gute Kultur.« Letztlich sei nur der Klageweg geblieben. Heiko Geiger war dazu bereit, stellvertretend für seine Kolleginnen und Kollegen die Bezahlung der Wege- und Umkleidezeit vor Gericht zu erstreiten. Leicht sei es ihm nicht gefallen, sagt er: »Seinen Arbeitgeber zu verklagen, ist schon ein großer Schritt.« Dabei sei es ihm aber nie um fünf Minuten gegangen. Das habe der Personalrat in verschiedenen Vorschlägen an die Verwaltung immer wieder deutlich gemacht: »Es geht um Gerechtigkeit, um Wertschätzung und Gleichbehandlung.«
Das verstanden auch Abgeordnete und Mitarbeiter, die auf den Konflikt mit der Bundestagsverwaltung aufmerksam wurden und ihre Unterstützung anboten. Die bekamen die Kolleginnen und Kollegen dann von verschiedenen Seiten – meist durch Ratschläge und Einschätzungen, aber auch konkret: Petra Sitte, Parlamentarische Geschäftsführerin der Fraktion DIE LINKE, brachte das Anliegen des Einlasskontrolldienstes im Ältestenrat des Bundestages zur Sprache und drängte auf eine außergerichtliche Lösung im Sinne der Beschäftigten. Jutta Krellmann, gewerkschaftspolitische Sprecherin der Fraktion, bereitete in mehreren Gesprächen den Gerichtstermin vor. Und auch die Fraktionsvorsitzende Sahra Wagenknecht unterstützte Heiko Geiger, sprach ihn direkt an seinem Arbeitsplatz an der Pforte auf den Konflikt an. »Das hat mich riesig gefreut und mir sehr viel Mut gemacht«, erzählt er noch immer bewegt. »Und auch für die Kolleginnen und Kollegen war das ein gutes Signal: Wir sind nicht allein, selbst Menschen wie Frau Wagenknecht unterstützen uns.« Besonders hoch rechnen die Beschäftigten im Einlasskontrolldienst den drei Abgeordneten an, dass sie kurz vor der Gerichtsverhandlung eine offizielle Solidaritätserklärung veröffentlichten: »Das hat sonst niemand gemacht, sich öffentlich mit ihrem Namen hinter uns zu stellen und zu sagen, warum unser Anliegen auch ihnen wichtig ist.«
Vor Gericht hatte die Klage Erfolg. Das Urteil bestätigte nicht nur in vollem Umfang die geforderte Anpassung von 20 Minuten bezahlter innerbetrieblicher Umkleide- und Wegezeit, sondern stellte im Urteil ganz klar heraus, dass der Kläger eigentlich noch mehr Zeit – 24 Minuten – hätte geltend machen können. Das Arbeitsgericht schlug deshalb vor, für die innerbetrieblichen Wegezeiten, die nunmehr zur bezahlten Arbeitszeit gehören, eine entsprechende Pauschale zu vereinbaren. Und es entschied darüber hinaus, dass diese Zeiten für alle Kolleginnen und Kollegen vom Einlasskontrolldienst nachgezahlt werden müssen – rückwirkend für drei Jahre. Für viele Beschäftigte kommt dadurch ein ganzes Monatsgehalt zusammen. »Wir haben damit für uns ein recht hohes Niveau erreicht«, ist Heiko Geiger sich bewusst. Sein Kollege Robert Knauerhase pflichtet ihm bei und stellt klar: »Dieser Erfolg, den wir nicht gehabt hätten, wenn unser Kollege das nicht auch für uns erstritten hätte, hat uns bewusst gemacht, was Solidarität wert ist. Und da kam uns der Gedanke, dass wir das weitergeben müssen.«
Gemeinsam suchten die Kolleginnen und Kollegen ein Projekt, bei dem ihre Spende möglichst komplett bei denen ankommt, die ihre Hilfe brauchen. Ein Besuch bei dem Verein Kinderlächeln e.V. und der Kinderkrebsstation im Klinikum in Berlin-Buch ließ sie nicht lange zögern: »Es ist beeindruckend, wie die Kinder mit ihrer Krankheit umgehen«, erzählt Heiko Geiger. »So eine Lebensfreude, obwohl die Eltern nicht die ganze Zeit bei ihnen sein können – das wollten wir von Herzen unterstützen.«