Die Stimmung in der Belegschaft sei geradezu »euphorisch« gewesen, beschreibt Harald Hahne, Vorsitzender des Gesamtbetriebsrats der Vitanas GmbH & Co. KGaA, als sie im Jahr 2017 erfuhren, dass das Unternehmen für 500 Millionen Euro an den amerikanischen Hedgefonds Oaktree Capital Management, L.P. verkauft wurde. Der Finanzinvestor habe angekündigt, den Pflegeheimbetreiber zu einem führenden Betrieb in der Pflege zu machen. »Aber bekommen haben wir etwas komplett anderes: Druck, Filetierung, noch mehr Druck, Sparzwang, noch mehr Druck.« Die Arbeitsbedingungen haben sich seitdem, so Hahne, massiv verschlechtert. »Der Konzern ist auf Maximalprofit angelegt. Es geht nicht um die Beschäftigten, nicht um die Menschen, die zu pflegen sind«, fasst er die jetzige Situation resignierend zusammen.
Bei Vitanas lässt sich beispielhaft beobachten, was passiert, wenn sogenannte Heuschrecken – in diesem Fall ein Private-Equity-Fonds – sich den Pflegemarkt vornehmen. Bereits heute sind 42 Prozent der Pflegeheime in privater Hand, rund 5 Prozent aller Pflegeheime gehören dabei solchen Private-Equity-Fonds. 65 Prozent der ambulanten Pflegedienste werden privat betrieben, der Anteil der Private-Equity-Fonds ist hier vollkommen unklar. In dem Segment der privaten Betreiber haben wir es mit ganz unterschiedlichen Akteuren zu tun. Die Bandbreite reicht von inhabergeführten Familienunternehmen über Private-Equity-Fonds, die in der Regel komplette Unternehmen kaufen, über Fonds, die sich per Minderheitenbeteiligung einkaufen, bis hin zu Immobiliengesellschaften. Erst vor Kurzem erwarb Deutsche Wohnen 30 Pflegeheime für 680 Millionen. Damit gehören dem Unternehmen, das schon als Wohnungsvermieter keinen guten Ruf hat, mehr als 12.000 Pflegeheimplätze in Deutschland. Aber auch in kleinen, privat geführten Einheiten wird ein Gewinn aus der Pflege gezogen. Das kritisiert DIE LINKE deutlich. Pflege gehört in die kommunale Hand und unter demokratische Kontrolle.
Dieser Konzentrationsprozess birgt besondere Risiken. Bei Vitanas hat sich nach Angaben der Mitarbeiter die Personalsituation drastisch verschlechtert. Selbst am Verbrauchsmaterial werde gespart. Ein Pfleger erzählte, es könne passieren, dass man erfolglos nach frischer Bettwäsche sucht. Sie würde fehlen, weil schlichtweg zu selten oder in größeren Abständen gewaschen wird. Ähnliches gibt es bei den Bettvorlagen für Inkontinenz. Sie würden streng rationiert. So ist Pflege mit Würde nicht machbar: Nicht für die Fachkräfte und schon gar nicht für die Menschen mit Pflegebedarf.
Und die politisch Verantwortlichen? Sie ducken sich weg! »Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor.« Im Oktober 2018 bekam ich diese Antwort auf meine parlamentarische Anfrage, wie hoch der Anteil von Private-Equity-Gesellschaften an hiesigen Pflegeheimen ist. Im Klartext bedeutet das, die Bundesregierung hat keine Ahnung, wie viel Geld aus der Pflegeversicherung sowie aus den zu zahlenden Eigenanteilen der Pflegebedürftigen und ihrer Angehörigen als Rendite an solche »Heuschrecken« abgeführt wird. Das sind Gelder, die für eine Verbesserung der Pflegequalität dringend nötig wären. Zum 1. Januar 2019 hat Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) den Beitragssatz zur Pflegeversicherung um 0,5 Prozentpunkte angehoben. Seine Begründung: Es gebe immer mehr Pflegebedürftige. Zu den Profiteuren des Systems verlor er hingegen kein einziges Wort.
Pia Zimmermann ist pflegepolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE