Wolfgang Engler, Jana Hensel: Wer wir sind. Aufbau, 288 Seiten, 20 Euro
Die Journalistin Jana Hensel und der Publizist Wolfgang Engler diskutieren ihre Erfahrungen als Ostdeutsche seit der Wiedervereinigung. Was blieb ihnen vom Aufbruch, wie erlebten sie den folgenden Umbruch, welche Perspektiven sehen sie für den Osten? »Es ist im Grunde schwerer, wenn man aus zwei Systemen kommt, sich beide wirklich unabhängig voneinander erklären zu können, nach Kontinuitäten, aber auch Brüchen zu suchen«, sagt Jana Hensel. »Die Abhärtung war und blieb ein schmerzhafter Prozess. Aber er fand statt«, bekennt Wolfgang Engler. Ihr Streitgespräch, kontrovers und abwechslungsreich geführt, reicht phasenweise weit zurück in die deutsche Geschichte und trägt dazu bei, Missverständnisse zwischen Ost- und Westdeutschen aufzulösen.
Petra Köpping: Integriert doch erst mal uns! Ch. Links, 208 Seiten, 18 Euro
Kritik, Wut und Hass schlugen der sächsischen Integrations- und Gleichstellungsministerin Petra Köpping oft entgegen, wenn sie mit Bürgerinnen und Bürgern sprach. Sie begann nachzufragen, woher Frust und auch Fremdenfeindlichkeit kommen, worauf sich das Misstrauen gegenüber der Demokratie gründet. Was lief schief in den Nachwendejahren? Petra Köpping hinterfragt Ergebnisse der Treuhandpolitik, die Bewertung von ostdeutschen Biografien und den Einfluss ostdeutscher Eliten: »Eine öffentliche Auseinandersetzung mit der Nachwendezeit, mit den vielfachen Schicksalsumbrüchen und Hoffnungen fand in den letzten Jahren hingegen kaum mehr statt.« Solch eine offene, ehrliche Debatte dazu muss ihrer Meinung nach dringend auf den Tisch.
Tanjev Schultz: NSU. Der Terror von rechts und das Versagen des Staates. Droemer, 576 Seiten, 26,99 Euro
»Auch jetzt, mit dem Wissen über den NSU, bleibt die Unsicherheit groß. Wie kamen die Terroristen auf die Tatorte? Gab es noch mehr Täter und Helfer? Warum ist die Polizei dem NSU nicht auf die Spur gekommen?« Obwohl Tanjev Schultz den NSU-Prozess intensiv verfolgte, bleiben für ihn viele Fragen offen. Sein spannender und lesenswerter Bericht über die Mordserie dieser Terrorzelle beginnt mit 1996, als Beate Zschäpe in Jena eine Garage mietet. Danach folgt eine Serie von verpassten Chancen des Sicherheitsapparats, um das Trio Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe frühzeitig zu stoppen. Die einzelnen Behörden standen sich gegenseitig im Weg und behielten Informationen für sich. Tanjev Schultz enthüllt das Versagen des Staates und blickt tief in den Abgrund der rechtsextremen Szene.
Annette Ramelsberger, Wiebke Ramm, Tanjev Schultz, Rainer Stadler: Der NSU-Prozess. Das Protokoll. Kunstmann, 2000 Seiten, 80 Euro
Am 6. Mai 2013 begann der NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht München, am 11. Juli 2018 wurde das Urteil gesprochen. Das einzige umfassende Protokoll aller 437 Verhandlungstage schrieb das Reporterteam der Süddeutschen Zeitung, um »die lebhafte Auseinandersetzung in diesem Prozess zu zeigen: die Wortwechsel zwischen Richter und Verteidigung, die Originaltöne der Zeugen, die beklemmenden Auftritte der Eltern von Opfern und Tätern, kurz: die akribische Suche nach der Wahrheit«. Die Chronisten meisterten diese besondere journalistische Herausforderung und sorgten mit dafür, dass die Aufarbeitung des NSU-Skandals auch nach der Urteilsverkündung weitergeht. Nun kann das Ergebnis der juristischen Bewertung öffentlich diskutiert werden, um die Sicht in der Gesellschaft auf Rechtsextremismus, Rassismus und Terror zu verändern.
Michael Lüders: Armageddon im Orient. Wie die Saudi-Connection den Iran ins Visier nimmt. C.H.Beck, 265 Seiten, 14,95 Euro
Seine erste Auslandsreise als US-Präsident führte Donald Trump im Mai 2017 nach Saudi-Arabien. Dort unterschrieb er Verträge über Rüstungskäufe in den USA für 110 Milliarden Dollar, außerdem wurden Aufträge über weitere 350 Milliarden Dollar in Aussicht gestellt. Im März 2018 sagte Kronprinz Mohammed Bin Salman in Washington Investitionen von 400 Milliarden Dollar zu. Kurz darauf kündigte Donald Trump das Atomabkommen mit dem Iran, obwohl das Regime in Teheran nie dagegen verstoßen hatte. Der Nahostexperte Michael Lüders arbeitet präzise heraus, weshalb der US-Präsident die Konflikte zwischen Saudi-Arabien, Israel und dem Iran verschärft. Er bilanziert die Politik der USA in der Region, untersucht die Folgen für Europa, Russland, Syrien und den Jemen. Auch die privaten Interessen der Familie Trump spielen eine wichtige Rolle
Noam Chomsky, Emran Feroz: Kampf oder Untergang! Warum wir gegen die Herren der Menschheit aufstehen müssen. Westend, 192 Seiten, 18 Euro
Sein Heimatland USA kritisiert der Intellektuelle Noam Chomsky noch immer besonders leidenschaftlich und deutlich, aus seiner Sicht gehören die USA schon wegen ihres Drohnenkriegs zu den größten Terrorunterstützern. Die USA stiegen nicht nur aus dem Pariser Klimaschutzabkommen aus, sie setzen noch stärker auf fossile Brennstoffe als zuvor. Die Grenze zu Mexiko will Präsident Trump abriegeln, um Hungerflüchtlinge nicht ins Land zu lassen. »Gerade in einer Welt im gegenwärtigen Zustand werden jene Menschen dringend gebraucht, die mit ihrem Denken und ihren Worten den Wandel anstoßen können«, sagt Emran Feroz über Noam Chomsky. In mehreren Interviews analysieren beide scharfsinnig die Situation in Krisenregionen, Folgen von Krieg und Vertreibung sowie Risiken der neoliberalen Globalisierung.
Steffen Twardowski