Es war der vermutlich wichtigste Arbeitskampf im deutschen Gesundheitssystem – und Dana Lützkendorf war dabei, als er ausgetragen wurde. Die gelernte Intensivpflegerin ist Mitglied der ver.di-Betriebsgruppe an der Berliner Charité, einer der größten Universitätskliniken Europas. Einzigartig war die Forderung, mit der sie und ihre Kolleginnen und Kollegen den Klinikvorstand konfrontierten: Nicht mehr Lohn, sondern zusätzliche Pflegekräfte wollten sie durchsetzen. „Auf den Klinikstationen herrschte Druck, Hetze, immer mehr Stress“, erinnert sich Dana Lützkendorf. Die Zeit für die Patientinnen und Patienten sei immer knapper geworden. „Das wollten wir ändern“, sagt sie.
In den Jahren 1995 bis 2010 ist die Zahl der Pflegekräfte bundesweit von rund 322.000 auf etwa 280.000 gesunken. In Deutschland muss sich eine Pflegekraft um durchschnittlich 10,3 Patientinnen und Patienten kümmern. In Norwegen liegt das Verhältnis bei 1 zu 3,8. Immer weniger Pflegepersonal muss immer mehr Patientinnen und Patienten in immer kürzerer Zeit versorgen. Darunter leiden Beschäftigte und Pflegebedürftige gleichermaßen.
Die Auseinandersetzung mit der Charité dauerte mehr als vier Jahre. Zunächst blieben alle Verhandlungen ergebnislos. Doch die Beschäftigten ließen nicht locker: Sie mobilisierten die Belegschaft, informierten die Öffentlichkeit und gewannen die Unterstützung der Patientenvertretungen. Schließlich traten sie im Sommer 2015 in einen unbefristeten Streik – mit Erfolg: Nach elf Tagen gab die Klinikleitung nach.
Im Frühjahr 2016 unterzeichneten die Gewerkschaft ver.di und die Charité einen Tarifvertrag, in dem erstmals eine Mindestbesetzung für Stationen vereinbart ist. „Wir haben etwas Historisches geschafft“, berichtet Dana Lützkendorf, „wir haben eine Haltelinie eingezogen.“ Mittlerweile werde an der Charité neues Personal eingestellt. Auch ver.di-Chef Frank Bsirske gratulierte damals den Berliner Pflegekräften: „Was an der Charité erreicht wurde, verdient großen Respekt!“ Es sei ein „wichtiges tarifpolitisches Signal“ weit über Berlin hinaus.
Warnstreiks im Saarland
Der Erfolg von Dana Lützkendorf und ihren Kolleginnen und Kollegen elektrisierte deutschlandweit die Beschäftigten an Krankenhäusern und Kliniken. Immer mehr Pflegekräfte setzen sich seitdem gemeinsam mit ver.di für mehr Personal ein. In Hamburg beispielsweise wirbt die Gewerkschaft für einen Tarifvertrag, der durch Neueinstellungen die Krankenpflegerinnen und -pfleger entlasten und die Versorgung der Patientinnen und Patienten verbessern soll. Und im Saarland fanden im Januar Warnstreiks an allen 21 Krankenhäusern statt. Auch dort geht es um bessere Pflege durch mehr Personal.
Die Fraktion DIE LINKE hat diese Arbeitskämpfe immer unterstützt – und tut das weiterhin. Zugleich fordert sie seit Langem eine gesetzliche Lösung für den Pflegenotstand an deutschen Krankenhäusern. Anfang 2016 hat sie den Antrag „Gute Arbeit – Gute Versorgung: Mehr Personal in Gesundheit und Pflege“ in den Deutschen Bundestag eingebracht. Darin verlangt sie eine verbindliche gesetzliche Personalbemessung, die sich am tatsächlichen Pflegebedarf und einer bestmöglichen pflegerischen Versorgung ausrichtet. Aktuell fehlen mindestens 100.000 neue Pflegekräfte. Finanzieren ließen sich diese zusätzlichen Stellen durch die Solidarische Gesundheitsversicherung. Trotzdem lehnten CDU/CSU und SPD den Antrag im Dezember des vergangenen Jahres ab, die Grünen enthielten sich.
Das hält die Fraktion DIE LINKE jedoch nicht davon ab, sich weiterhin für mehr Personal in Gesundheit und Pflege einzusetzen: im Parlament mit Anfragen und Anträgen, auf der Straße im Rahmen der Kampagne „Das muss drin sein“ mittels diverser Aktionen vor Krankenhäusern und Kliniken im April und im Mai dieses Jahres. Dadurch sollen die Arbeitskämpfe der Pflegekräfte unterstützt und es soll gesellschaftlicher Druck für eine gesetzliche Personalbemessung aufgebaut werden. Denn mehr Personal im Krankenhaus ist besser für alle: für die Beschäftigten ebenso wie für Patientinnen und Patienten.