Es ist gerade mal ein halbes Jahr her, dass die Fraktion DIE LINKE mit einem Netzwerk gegen Kinderarmut an die Öffentlichkeit ging. Das war im Dezember 2016. Zu den Gründungsmitgliedern zählten der Paritätische Wohlfahrtsverband, der Bundesverband alleinerziehender Mütter und Väter, das Kinderhilfswerk und viele andere mehr. Alles Verbände und prominente Personen, die seit Jahren und Tag für Tag versuchen, die Folgen von Eltern- und Kinderarmut aufzufangen und zu lindern. Offiziell existieren arme Kinder in Deutschland allerdings nicht. Jedenfalls nicht in der Lesart der Bundesregierung. Im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD aus dem Jahr 2013 kam das Wort nicht einmal vor.
Trotzdem ist sie da: Mehr als zwei Millionen Kinder unter 18 Jahren – so viele lebten im Dezember 2016 im sogenannten Hartz-IV-Bezug – sind mitten in der Armut oder von ihr bedroht. Dabei geht es nicht ums »Verhungern«, sagt Professor Dr. Michael Klundt, Humanwissenschaftler an der Hochschule Magdeburg-Stendal. Es geht um frühe Ausgrenzung, Stigmatisierung, viel weniger Teilhabe, um Bildungschancen, Gesundheit und Zukunft. Michael Klundt, Verfasser der Studie »Kinderarmut und Reichtum in Deutschland«, musste gar keine neuen Zahlen, Erhebungen, Statistiken bemühen. Die gibt es bereits, massenhaft und mit belastbaren Fakten zu den Folgen. Was ist trotzdem neu? Der Blickwinkel. Es wird nicht mit dem Finger auf die »Problemkinder« und »Problemeltern« gezeigt. Die verfestigte soziale Armut steht im gesellschaftlichen Kontext. Klundt bescheinigt den Regierenden auch, dass viel Geld in familienpolitische Strukturen fließt. Nur kommt es nicht an, wo es benötigt wird: Alleinerziehende, Geringverdienende, Menschen mit Minijob profitieren nicht vom Steuersystem, von Zuschlägen oder Freibeträgen. Bei Familien im Hartz-IV-Bezug wird Kindergeld als Einkommen angerechnet. Die Studie, gemeinsam herausgegeben vom Netzwerk gegen Kinderarmut, der Rosa-Luxemburg-Stiftung und der Fraktionsvorsitzendenkonferenz der Partei DIE LINKE, bleibt nicht bei der Zustandsbeschreibung. Sie weist politische und strukturelle Zusammenhänge auf, macht Vorschläge, wie Kinderarmut langfristig beseitigt werden könnte, und bietet eine, wie Christoph Butterwegge schreibt, »hervorragende Grundlage für öffentliche Debatten«.