»Unfug«, sagt Ex-Finanzminister Theo Waigel. Thilo Sarrazin, damals für die Treuhandaufsicht im Finanzministerium zuständig, findet es »albern«, einen Untersuchungsausschuss zur Treuhand einzurichten. Der Zuspruch, der mich dagegen vor allem aus Ostdeutschland erreicht, spricht eine andere Sprache. Es gibt ein großes Bedürfnis nach Aufarbeitung. Und die heftigen Gegenreaktionen zeigen, dass dieses Thema denjenigen, die bis heute die Nachwendepolitik verteidigen, ziemlich unangenehm ist.
Die Treuhandpolitik ist der Kardinalfehler der Nachwendezeit. Natürlich war der Zustand der DDR-Wirtschaft vielerorts schlecht, aber dieses Argument trägt nicht, denn dann hätte die Treuhand den Zustand verbessern müssen. Aber ihre Bilanz ist verheerend. Die Treuhandpolitik war – besonders in der Art und Weise, wie Dinge durchgesetzt wurden – die Fortsetzung des Kalten Kriegs mit anderen Mitteln. So hätte »West« mit »Ost« niemals umgehen dürfen. Viele Wunden sind nicht geheilt. Wer auch die emotionale Einheit nach 30 Jahren vollenden will, muss noch einmal zurückschauen. Dafür brauchen wir eine parlamentarische Untersuchung, ohne die eine notwendige wissenschaftliche Aufarbeitung unzureichend bleibt. Nur ein solcher Ausschuss kann entscheidende Akten, die jetzt nach 30 Jahren zugänglich werden, in kurzer Zeit anfordern und die politisch Verantwortlichen von damals vorladen.
Die Treuhand war kein Staat im Staate. Wer die Berichte des Bundesrechnungshofs aus den 1990er Jahren liest, hätte einige Fragen an die ehemalige Leitung des Finanzministeriums. Die Rechnungsprüfer beschreiben ein Komplettversagen in Sachen Treuhandaufsicht. Das Ministerium werde seiner »politischen und finanziellen Verantwortung nicht gerecht«. Einerseits wurde die Führungsebene der Treuhand von der Haftung selbst bei grob fahrlässigem Handeln befreit, andererseits überließ das Ministerium die Treuhand sich selbst.
War es Überforderung in politisch bewegten Zeiten oder wollte man in Bonn nicht genau wissen, was bei der Treuhand vor sich geht? Wir brauchen einen Untersuchungsausschuss, in dem Waigel, Sarrazin und andere erklären, warum sie der Treuhand nicht auf die Finger geschaut haben. Sarrazin sagte 2010 über seine damalige Aufgabe im Finanzministerium: »Jetzt wickeln wir das ganze Zeug möglichst schnell ab.« Falls dies die politische Vorgabe des Ministeriums war, hätten wir noch eine ganz andere Dimension. Denn das Plattmachen der ostdeutschen Industrie war mitnichten der gesetzliche Auftrag der Treuhand. Ja, sie sollte privatisieren, aber die »Wettbewerbsfähigkeit möglichst vieler Unternehmen herstellen und somit Arbeitsplätze sichern und neue schaffen«. Diesen Auftrag hat sie nicht erfüllt. Aber wurde dies geduldet oder befördert? Die Aufsichtsverweigerung hat Arbeitsplätze und Zukunftsperspektiven im Osten zerstört. Es ist eine Frage des Respekts gegenüber den Millionen Menschen, die damals ihren Job verloren, diese Zeit im Parlament aufzuarbeiten.
Dietmar Bartsch, Fraktionsvorsitzender