„Mehr als 115 Jahre nach dem Völkermord deutscher Kolonialtruppen an der indigenen Bevölkerungsgruppe der Herero und Nama erkennt die Bundesregierung die Verbrechen offiziell als Völkermord an. Mit einem Programm soll der Wiederaufbau und die Entwicklung der Siedlungsgebiete der Herero und Nama vorangetrieben werden. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung, aber nicht ausreichend. Bis heute gehören Nachfahren der Opfer zu den ärmsten Bevölkerungsgruppen in Namibia. Das ist auf die Landenteignungen und den systematischen Raub von Vermögenswerten durch die deutschen Kolonialherren zurückzuführen“, kommentiert Helin Evrim Sommer, entwicklungspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, die Einigung über den gemeinsamen Umgang mit dem Völkermord in Namibia. Sommer weiter:
„Das angekündigte Programm in Höhe von 1,1 Milliarden Euro soll für eine Landreform, für Landkauf und die Entwicklung der ländlichen Infrastruktur und Wasserversorgung sowie die Berufsbildung eingesetzt werden. Wichtig ist hierbei, dass die Gelder nachhaltig für die Überwindung der aus der deutschen Kolonialzeit resultierenden strukturellen Benachteiligungen eingesetzt werden. Außerdem müssen Unternehmen und Rechtsnachfolger, die von Zwangsarbeit, Enteignungen und Vertreibungen in der ehemaligen Kolonie Deutsch-Südwestafrika profitiert haben, ihren finanziellen Beitrag zur Versöhnung leisten.
Zur öffentlichen Erinnerung an die deutschen Kolonialverbrechen brauchen wir ein Denkmal an die afrikanischen Opfer von Versklavung, Kolonialismus und rassistischer Gewalt in zentraler Lage in Berlin. Das Thema muss außerdem stärker in den Schulen gelehrt werden. Hierfür sollen Historiker einer deutsch-namibischen Schulbuchkommission Lehrmaterial über die gemeinsame Geschichte ausarbeiten. Die Ständige Konferenz der Kultusminister der Bundesländer muss sich für die Aufnahme der Verbrechen des deutschen Kolonialismus in die Curricula des Schulunterrichts einsetzen.
Die Geschichte der deutschen Völkermorde beginnt in Namibia. Im deutschen Konzentrationslager ‚Haifischinsel‘ wurden zum ersten Mal Techniken der Massenvernichtung erprobt und durchgeführt, die die Nazis später perfektionierten.
Damit sich Genozide nicht wiederholen, müssen wir ihre Geschichte vermitteln und in einer nachhaltigen Erinnerungskultur verankern.“