„Die Hälfte der Legislatur ist fast vorbei, ohne dass die großen digitalpolitischen Versprechen der Ampel-Regierung bisher realisiert wurden“, erklärt Anke Domscheit-Berg, digitalpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE und Obfrau im Digitalausschuss. Sie fährt fort:
„Mehr Offenheit, mehr Gemeinwohl, mehr Nachhaltigkeit und vor allem mehr Fortschritt, gleichzeitig weniger Überwachung und eine Verbesserung der IT-Sicherheit – das versprachen Koalitionsvertrag und Digitalstrategie. Die Kultur sollte anders, die digitalpolitische Zivilgesellschaft mehr einbezogen werden. Nichts davon wurde eingelöst, denn kaum etwas ist besser, dafür manches schlechter geworden.
So fehlt es zum Beispiel in der digitalen Verwaltung seit über fünf Jahren an den Grundlagen: verbindliche, einheitliche Standards, überall verfügbare Basisdienste und das verbindliche Ziel der Ende-zu-Ende-Digitalisierung. Es gibt nicht einmal ein ehrliches Monitoring, denn als Erfolge werden auch reine Schaufensterdigitalisierungen gefeiert, wie z.B. der Online-Bafög-Antrag, der im Amt weiterhin ausgedruckt wird und auf dessen Bescheid Studierende immer noch vier bis sechs Monate warten müssen.
Das ‚Recht auf schnelles Internet‘ wurde nur ein ‚Recht auf lahmes Internet‘, denn der bestehende Rechtsanspruch auf eine Downloadgeschwindigkeit von 10 Mbit/s ist bei weitem nicht ausreichend, da er Menschen in Mehrpersonenhaushalten nicht die gleichzeitige Nutzung von Homeoffice oder digitalem Unterricht ermöglicht und damit ihre Teilhabe an der digitalen Gesellschaft einschränkt. Gerade ländliche Räume bleiben weiterhin zu oft abgehängt, insbesondere in ostdeutschen Bundesländern, wo der Anteil Haushalte mit Glasfaseranschluss erheblich geringer ist als im Westen. Das FDP-regierte ‚Digitalministerium‘ setzt dennoch weiter auf das Primat des Marktes, obwohl der Markt bei der Sicherstellung von Teilhabe und Daseinsvorsorge offensichtlich seit Jahren versagt hat. Das Internet in Deutschland, egal ob mobil oder über Festnetz, ist nicht nur langsamer, sondern auch viel teurer als in anderen Ländern. Das ist nicht nur aus Verbrauchersicht ein Nachteil, sondern auch für die Wirtschaft.
Das Versprechen für mehr Sicherheit und stärkeren Schutz der Bürgerrechte ist ebenfalls nicht eingelöst worden. Obwohl die Risiken für unser aller IT-Infrastruktur immer größer werden, Datenleaks und Ransomware-Attacken ständig Schlagzeilen machen, stockt die versprochene Offensive für mehr IT-Sicherheit. Die längst überfällige Überwachungsgesamtrechnung ist inzwischen immerhin beauftragt - ohne jedoch ihre Ergebnisse abzuwarten oder bisherige Überwachungsmaßnahmen zu evaluieren, werden immer weiter neue Überwachungsbefugnisse beschlossen. Mit der EU-Chatkontrolle trägt die Ampel-Regierung sogar das größte Zensur- und Überwachungsvorhaben des Internets aktiv mit. Der Schutz der Privatsphäre und der Bürgerrechte spielten wohl nur auf dem Papier eine Rolle. Österreich hat die EU-Chatkontrolle abgelehnt, Deutschland unterstützt sie.
Die digitale Zivilgesellschaft ist verprellt, denn ihre Forderungen zählen weiterhin kaum: Das Transparenzgesetz kommt zum Ende der Legislatur, vermutlich aber überhaupt nicht mehr, die Förderung von Open Source wird gerade mit Vollgas gebremst, denn die Mittel dafür werden fast halbiert und eine nachhaltige Digitalisierung schafft der Bund weder bei der eigenen IT noch im Rest des Landes, denn das Energieeffizienzgesetz wurde zahnlos lobbyiert. Kein Wunder, dass die NGOs inzwischen rebellieren.
Diese Ampelregierung ist aus digitalpolitischer Sicht eine totale Katastrophe. Mindestens zwei Jahre sind bereits verloren. Viel Zeit bleibt nicht mehr, das Ruder umzusteuern."