„Das Bundesverfassungsgericht hat eine sehr weitreichende und wichtige Entscheidung getroffen, indem es in seinem Urteil festgestellt hat, dass das Gesetz zur Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung des BND in zentralen Punkten verfassungswidrig ist. Das ist ein großer Erfolg der Klageführer, u.a. der Organisation 'Reporter ohne Grenzen' und eine schwere Niederlage für die Bundesregierung und die Koalition aus Union und SPD“, erklärt André Hahn, stellvertretender Vorsitzender der Fraktion DIE LINKE und Mitglied des Parlamentarischen Kontrollgremiums für die Geheimdienste. Hahn weiter:
„Die Aussagen der Karlsruher Richter sind eindeutig: Eine anlasslose Massenüberwachung des BND im Ausland verstößt massiv gegen Grundrechte. Die aktuelle Praxis des BND verletzt in mehreren Punkten den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Von zentraler und weit über das heutige Urteil hinausgehender Bedeutung ist die Klarstellung des Verfassungsgerichts, dass die Grundrechtsbindung deutscher Behörden auch im Ausland gilt. Die geltenden Regelungen des Gesetzes verstoßen zudem gegen die Kommunikations- und Pressefreiheit. Der Schutz von Journalisten vor Ausspähung muss deutlich verbessert werden.
DIE LINKE fühlt sich durch das Urteil in fast allen rechtlichen Kritikpunkten, die wir bei der Verabschiedung des umstrittenen Gesetzes Ende 2016 vorgebracht haben, bestärkt. Leider hatten Grüne und LINKE zusammen nicht das erforderliche Quorum für die Einreichung einer Normenkontrollklage beim Verfassungsgericht. Umso erfreulicher ist es, dass es nun doch auf anderem Weg erreicht werden konnte, das Gesetz auf seine Verfassungsmäßigkeit zu überprüfen.
Ausdrücklich begrüße ich auch die Entscheidung des Ersten Senats, wonach eine Berufung auf die sogenannte Third-Party-Rule einer unabhängigen und objektiv-rechtlichen Kontrolle nicht länger im Wege stehen darf. Bislang hat die Bundesregierung den Kontrollgremien stets elementare Informationen über Kooperationen des BND mit anderen Auslandsgeheimdiensten unter Berufung auf diese Vereinbarung, nach der solche Informationen nicht an Dritte weitergegeben werden dürfen, vorenthalten. Das wird nun nicht mehr möglich sein.
Wenngleich das Verfassungsgericht der bisherigen Regelung bis zur notwendigen Novellierung des Gesetzes eine Übergangsfrist bis Ende 2021 einräumt, darf das nicht dazu führen, dass der BND seine grundrechtswidrige Überwachungspraxis bis dahin ungeniert fortführt. Bis zu einer Neuregelung müssen die bestehenden Kontrolldefizite schonungslos aufgedeckt sowie in der Öffentlichkeit diskutiert werden. Angesichts der bevorstehenden Bundestagswahl im Herbst 2021 sollte die Novelle des BND-Gesetzes bis zum Sommer 2021 durch den Bundestag verabschiedet werden.
In jedem Fall muss eine Stärkung der Kontrollmöglichkeiten des Parlaments sofort erfolgen. Auskünfte in den Kontrollgremien und Untersuchungsausschüssen dürfen keinen Tag länger unter Verweis auf die Third-Party-Rule verweigert werden."