„Noch nie gab es so viel Armut in Deutschland wie heute. In der Pandemie ist die Armutsquote von 15,9 Prozent (2019) auf 16,6 Prozent im Jahr 2021 gestiegen. Das ist das schnellste Wachstum, das bisher gemessen wurde. 13,8 Millionen Menschen sind im reichen Deutschland arm. Das ist nicht auszuhalten“, kommentiert Jessica Tatti, arbeitsmarkt- und sozialpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, den heute veröffentlichten Armutsbericht des Paritätischen Wohlfahrtsverbands. Tatti weiter:
„Die höchsten Anstiege der Armut sehen wir bei Erwerbstätigen: 13,1 Prozent der Selbständigen sind arm (2019: 9 Prozent), bei den abhängig Beschäftigten sind es 8,4 Prozent (2019: 7,9 Prozent). Das zeigt, dass die Arbeitslosenversicherung in der Pandemie mit ihrem Kurzarbeitergeld zwar Arbeitsplätze erhalten konnte, nicht aber den Lebensstandard der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Selbständige fielen in der Pandemie sogar völlig ungesichert durch die sozialen Netze direkt in Hartz IV. Die Einbrüche im Wirtschaftsleben wurden vorrangig durch die Pandemie verursacht. Trotzdem gilt: Dass Kurzarbeit für viele prekär Beschäftigte in Teilzeit, mit niedrigen Löhnen gleichbedeutend mit Armut ist, dass Selbstständige nicht durch die Wirtschaftshilfen oder die Arbeitslosenversicherung gesichert waren, das liegt an falschen politischen Entscheidungen.
DIE LINKE hat in der Pandemie zahlreiche Anträge in den Bundestag eingebracht. Dazu gehört etwa ein Kurzarbeitergeld in Höhe von 90 Prozent des Nettolohns mit einer Untergrenze von 1.200 Euro bei Vollzeit. Dazu gehörte als Sofortmaßnahme für kleine Selbständige eine Wirtschaftshilfe für den Lebensunterhalt und als mittelfristige Verbesserung die obligatorische Aufnahme von Solo-Selbständigen in die Arbeitslosenversicherung. Damit hätte der enorme Anstieg von Armut verhindert werden können. Was fehlte? Alleine der politische Wille der Bundesregierung.
Die Ampelregierung darf jetzt nicht schulterzuckend alles auf die Vorgängerregierung schieben. Sie muss aus dem Versagen lernen und endlich Vorsorge gegen die Verarmung im Land treffen. Denn die nächste Krise steht bereits in der Tür: mit der Energiekrise durch den russischen Überfall auf die Ukraine. Eine Übergewinnsteuer kann finanzielle Hilfen und Entlastungen gerade für Menschen mit kleinem Geldbeutel auf den Weg bringen – Menschen, die von Sozialleistungen leben, Rentnerinnen und Rentner, Erwerbstätige mit niedrigem und mittlerem Einkommen. Die Bundesregierung muss endlich im Interesse dieser Menschen die richtigen Entscheidungen treffen, wenn sie den sozialen Frieden sichern will.“