„Völlig zu kurz kommt in der aktuellen Afghanistan-Debatte, dass die Bundesregierung nicht nur für Ortskräfte, sondern auch für Familienangehörige von in Deutschland lebenden afghanischen Geflüchteten verantwortlich ist. Denn das SPD-geführte Auswärtige Amt hat den Familiennachzug über Jahre verschleppt und massiv behindert: Viele Angehörige warten bereits seit zwei Jahren allein auf einen Konsulatstermin zur Vorsprache in Islamabad oder Neu-Delhi, die Visastelle in Kabul ist seit 2007 geschlossen. Alle Appelle der letzten Jahre, die Wartezeiten zu verkürzen und die Visaverfahren zu beschleunigen, stießen auf politisch taube Ohren. Spätestens jetzt muss die Bundesregierung die Familienangehörigen schnell und unbürokratisch aufnehmen, von denen sich viele in akuter Lebensgefahr befinden“, fordert Ulla Jelpke, innenpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, anlässlich der aktuellen Entwicklungen in Afghanistan. Jelpke weiter:
„Mehr als 3.000 Afghanen und Afghaninnen (Stand Mai dieses Jahres) warten auf einen Termin zur Beantragung eines Visums zur Familienzusammenführung an den Botschaften in Islamabad und Neu-Delhi. Zu dieser Wartezeit kommt noch die oft langwierige bürokratische Bearbeitung des Visumsantrags hinzu. Doch trotz des offensichtlichen Bedarfs wurde das Personal in Islamabad und Neu-Delhi im Laufe der letzten zwei Jahre von 47 auf 39 Stellen zusammengestrichen. Das ist inakzeptabel und trägt im Ergebnis mit dazu bei, dass Angehörige mit einem Recht auf Einreise nach Deutschland jetzt unter die Taliban-Herrschaft fallen. Die Familienangehörigen von in Deutschland lebenden afghanischen Schutzberechtigten bzw. Staatsangehörigen müssen deshalb sofort unbürokratisch in die Evakuierung mit einbezogen werden, und zwar über die sogenannte Kernfamilie hinaus. Zudem müssen Visumsanträge zur Familienzusammenführung in den Nachbarländern sofort entgegengenommen und schnell und unbürokratisch entschieden werden – das gilt auch für bereits anhängige Verfahren.
Nicht vergessen werden darf zudem, dass bei mehr als der Hälfte aller in Deutschland lebenden afghanischen Geflüchteten der Schutzstatus nicht durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), sondern durch die Gerichte angeordnet wurde. Doch erst mit der Anerkennung als Flüchtling gehen Rechte wie das auf Familiennachzug der sogenannten ‚Kernfamilie‘ einher. Viele afghanische Geflüchtete hatten aufgrund von Fehlern einer Bundesbehörde somit bisher keinen Anspruch auf Familienzusammenführung, oder erst nach langwierigen Klageverfahren. Das BAMF muss jetzt allen afghanischen Geflüchteten in Deutschland umfassenden Schutz gewähren.“