Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Union beantragt eine Aktuelle Stunde, weil die Grünen auf ihrem Bundesparteitag beschlossen haben, dass sie das Freihandelsabkommen mit den Mercosur-Staaten ablehnen
(Jens Spahn [CDU/CSU]: Richtig!)
und – Zitat – „grundlegende Veränderungen … für ein faires, ökologisches und postkoloniales Abkommen fordern“,
(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das ist doch Quatsch!)
ein Beschluss gegen den Willen von Bundeswirtschaftsminister Habeck.
Nun haben die Grünen auf ihrem Parteitag tatsächlich einiges mit Mehrheit beschlossen, was zu kritisieren ist, allem voran die Unterstützung für die GEAS-Reform und damit die grüne Zustimmung zu einem weiteren Anschlag auf das Asylrecht.
(Zuruf von der LINKEN: Genau!)
Bei Flucht und Asyl geht es den Grünen nicht mehr um Solidarität und Menschenrechte, sondern es geht, wortgleich wie bei der Union, um „Humanität und Ordnung“. Klingt nach Seehofer, ist auch Seehofer, aber jetzt auch offizielle Beschlusslage der Grünen. Statt Haltung zu zeigen, gibt man rechten Forderungen nach. Das ist erbärmlich, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der LINKEN)
Deshalb weiß ich gar nicht, warum die Union sich eigentlich aufregt. Die Grünen robben sich doch mit ihren inhaltlichen Positionen immer näher an sie ran.
Sie kritisieren heute einen der wenigen guten Beschlüsse des Parteitages,
(Lachen bei der CDU/CSU)
wo die Grünen mal ausnahmsweise eine Position gehalten haben, zumindest auf dem Papier. Denn ich befürchte, dass die Union sich überhaupt nicht ernsthaft Sorgen machen muss, dass die Grünen in der Ampel das Mercosur-Abkommen stoppen oder auch nur ernsthaft gefährden könnten. Denn wir haben doch alle gelernt: Wenn SPD und FDP dafür sind und die Grünen eigentlich dagegen, dann wissen wir, wie es in der Regel ausgeht: Früher oder später kippen die Grünen um und räumen ihre Position; die Tendenz geht zu früher.
(Zuruf des Abg. Michael Kruse [FDP])
Von daher kann ich Ihre Sorge leider gar nicht nachvollziehen. Ich befürchte, dass Sie da unrecht haben.
Jetzt zum geplanten Abkommen und dazu, warum wir als Linke es ablehnen. Seit rund 20 Jahren wird das Abkommen zwischen der Europäischen Union und den Mercosur-Staaten Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay verhandelt. Es sieht Zollsenkungen für Exportprodukte aus der EU wie Chemikalien und Kraftfahrzeuge sowie für die Einfuhren aus den Mercosur-Staaten wie Rindfleisch, Geflügel, Futter, Soja usw. in die Europäische Union vor. Zahlreiche Gewerkschaften, Umweltverbände und Menschenrechtsorganisationen auf beiden Seiten des Atlantiks lehnen das Abkommen ab. Sie befürchten schwerwiegende Folgen für das Klima, für Arbeitnehmerrechte und für die Biodiversität.
So soll den Mercosur-Staaten zum Beispiel verwehrt werden, inländische Unternehmen bei öffentlichen Ausschreibungen zu bevorzugen. Damit wird die Stärkung lokaler Produktion behindert und die Abhängigkeit von Exporten überwiegend unverarbeiteter Agrarprodukte verstärkt. Gerade die Umweltverbände und auch die Organisationen der indigenen Bevölkerung warnen, dass dadurch die weitere Vernichtung von Regenwald zugunsten neuer landwirtschaftlicher Anbauflächen noch verstärkt wird. Das sind die Folgen dieses Abkommens, und deshalb lehnen wir als Linke das ab.
(Beifall bei der LINKEN)
Während für die Mercosur-Staaten in einer Zusatzvereinbarung verbindliche Sanktionen bei Nichteinhaltung von Auflagen vorgeschlagen werden, wird die Verantwortung der EU-Mitgliedsländer hinsichtlich Klimagerechtigkeit und Energie-, Flächen- und Ressourcenverbrauch nicht mal erwähnt. Diese Art von Freihandel, meine Damen und Herren, ist der „Protektionismus der Mächtigen“, wie es die indische Aktivistin Vandana Shiva mal auf den Punkt gebracht hat:
(Beifall bei der LINKEN)
vermeintlich freie Konkurrenz zwischen völlig ungleichen Partnern.
Im Zentrum der Abkommen steht eben nicht der gegenseitige Vorteil der Handeltreibenden. Die wirtschaftlich überlegenen Länder nutzen strukturelle Vorteile, die durch Kolonialismus und durch koloniale Gewalt entstanden sind, und das, meine Damen und Herren, verstößt gegen jedes Verständnis von Fairness.
(Zuruf des Abg. Jens Spahn [CDU/CSU])
So wird die Ausbeutung des Globalen Südens fortgesetzt.
(Beifall bei der LINKEN)
Es ist völlig verständlich, dass die Mercosur-Staaten einen finanziellen Ausgleich für den Schutz des Regenwaldes fordern. Ja, es waren nämlich nicht die Länder Südamerikas, die historisch Hauptverantwortliche für den Klimawandel sind. Die Länder, die heute Freihandel propagieren, haben im Zuge ihres eigenen Aufstiegs zu Industrienationen nie freien Handel praktiziert. Sie haben ihre eigenen aufstrebenden Industrien gegen Konkurrenz von außen geschützt, allen voran das Deutsche Kaiserreich. Freihandel wird bis heute nur für den eigenen Nutzen praktiziert, und es ist einfach dreist, dabei noch zu behaupten, man würde irgendwas Gutes für die Welt tun wollen. Es geht um wirtschaftliche Interessen, es geht um geopolitische Interessen.
(Peter Beyer [CDU/CSU]: Ich bin Ihnen so dankbar, dass Sie das endlich mal darlegen!)
Das ist der Hintergrund dieses Abkommens, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der LINKEN)
Das Abkommen wird dem im Koalitionsvertrag genannten Ziel eben nicht gerecht, die „fairen sozialen, ökologischen, menschenrechtlichen Standards stärken“ zu wollen. Es bevorzugt große Konzerne und verschärft die Klimakrise. Handel sollte die Lebensumstände aller Beteiligten verbessern. Deshalb darf das Abkommen in der derzeitigen Form nicht in Kraft treten. Das sehen wir wie der Parteitag der Grünen, und das sehen wir anders als der grüne Wirtschaftsminister, meine Damen und Herren.
In diesem Sinne – ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin – sollte sich die Bundesregierung auf europäischer Ebene einsetzen und dafür sorgen, dass die Beteiligungsrechte der nationalen Parlamente bei Freihandelsabkommen nicht beschnitten werden.
Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN)