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Wir kämpfen für das Recht auf Asyl

von Janine Wissler,

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Innenminister der Europäischen Union haben die faktische Abschaffung des Grundrechts auf Asyl beschlossen.

(Dr. Lars Castellucci [SPD]: Unsinn!)

Man muss es so deutlich sagen: Das ist ein Frontalangriff auf die Rechte Schutzsuchender, und das ist ein Anschlag auf die Menschenrechte.

(Beifall bei der LINKEN – Detlef Seif [CDU/CSU]: Völliger Blödsinn!)

Zukünftig sollen Geflüchtete in Lagern an den EU-Außengrenzen in Haft und unter haftähnlichen Bedingungen interniert werden. Es wird für sehr viele Menschen keine Asylverfahren mehr geben, sondern nur noch geprüft werden, ob sie in einen vermeintlich sicheren Drittstaat abgeschoben werden können.

(Zuruf von der AfD)

Deshalb ist es falsch, wenn gesagt wird, dass syrische Geflüchtete überhaupt nicht betroffen sind. Das ist Desinformation, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN)

Es geht um Menschen, die kein Verbrechen begangen haben. Es geht um Menschen, die auf der Flucht sind – vor Kriegen, vor Verfolgung und vor Hunger.

(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Das sind Wirtschaftsflüchtlinge!)

Nicht mal Familien mit kleinen Kindern sind ausgenommen, was die Bundesregierung ja eigentlich versprochen hatte. Stattdessen wird ernsthaft darüber diskutiert, wie man Kinder kindgerecht inhaftieren kann. Das widerspricht doch der Kinderrechtskonvention; das ist doch vollkommen unvereinbar mit dem Mehr an Kinderrechten, was hier diskutiert wird.

(Beifall bei der LINKEN)

Diese Einigung feiert die Bundesinnenministerin als einen historischen Erfolg für die solidarische Migrationspolitik. Und Frau von der Leyen reist ausgerechnet mit der neofaschistischen italienischen Regierungschefin Meloni nach Tunesien, um weitere Autokraten als Türsteher für Europa zu gewinnen. Ja, was hat denn das mit den vielbeschworenen europäischen Werten zu tun?

Über Trump hat man sich noch empört, als er Kinder eingesperrt hat. Jetzt zieht die Festung Europa die Mauern hoch; es ist eine Schande, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich war auf Lesbos, ich war in Moria und in Kara Tepe. Ich habe Menschen getroffen, die jahrelang in Zelten leben, in der Kälte, in der Hitze. Ich habe Kinder getroffen, die in ihrem ganzen Leben noch keinen Spielplatz gesehen haben. Solche Lager gelten jetzt als Vorbild; denn sie sind europäische Modellprojekte und mit EU-Geldern finanziert.

Zwei Meldungen vom gestrigen Tag:

Die erste: Nach einem Bootsunglück vor Griechenland werden Hunderte vermisst. Während Seenotrettungsschiffe in Italien festgehalten werden und anderen das Geld fehlt, um auszulaufen, ertrinken Menschen.

Die zweite: Das Auswärtige Amt blockiert die beschlossene Millionenhilfe für zivile Seenotretter und hält versprochene Zahlungen zurück.

(Zuruf von der LINKEN: Unerhört! – Weitere Zurufe von der LINKEN)

Nein, es ist kein tragisches Unglück, wenn Menschen im Mittelmeer ertrinken. Es ist die Folge einer Politik der Abschottung, der Kriminalisierung ziviler Seenotrettung und der Pushbacks. Das Mittelmeer wird zum Massengrab, weil es keine sicheren Fluchtrouten geben soll.

Recht und Gesetz wird so lange an den faktischen Zustand des Asylunrechts angepasst, bis Unrecht zu Recht geworden ist. Und wovon Horst Seehofer nur träumte, setzt eine sozialdemokratische Innenministerin um – mit Unterstützung der grünen Mitglieder dieser Bundesregierung.

(Zuruf von der LINKEN: Hört! Hört!)

Das hat mit dem Koalitionsvertrag, in dem Sie versprochen haben, das Leid an den Außengrenzen zu beenden, nichts zu tun. Das ist ein Kniefall vor rechts außen, und das ist ein politischer Offenbarungseid.

(Beifall bei der LINKEN)

Der Beschluss ist ein Erfolg für die rechten Kräfte in Europa und wird sie weiter stärken. Diese Lehre sollte man doch gezogen haben aus der Debatte um den Asylkompromiss 1993 und aus der Welle rechter Gewalt damals. Der Jahrestag des Brandanschlags von Solingen jährte sich gerade zum 30. Mal; der Anschlag ereignete sich drei Tage nach Abstimmung über die Asylrechtsverschärfung im Deutschen Bundestag in einer aufgeheizten Stimmung gegen Minderheiten, gegen Menschen, die geflüchtet sind, gegen Menschen, die eingewandert sind.

Flucht ist kein Verbrechen. Menschenrechtsorganisationen wie Pro Asyl und Amnesty sind entsetzt. Es gibt laute Kritik aus Gewerkschaften, Kirchen, von Kulturschaffenden und auch aus SPD und Grünen. Die Linke im Europäischen Parlament, im Bundestag und auf der Straße wird für das Recht auf Asyl kämpfen und gegen diese Reform.

Letzter Satz, Frau Präsidentin. – Ja, diese Entscheidung ist historisch.

Sie hat fatale Folgen für Schutzsuchende, und dieser Asylkompromiss 2.0 wird für immer mit der Regierungszeit der Ampel verbunden bleiben.

Das ist genauso wie beim Asylkompromiss von 1993. Deshalb: Stimmen Sie unserem Antrag heute zu!

(Beifall bei der LINKEN)