Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Seit über einem Jahr führt Russland seinen brutalen und unerträglichen Feldzug gegen die Ukraine. Seit mehr als einem Jahr wird in der Ukraine gemordet. Seit mehr als einem Jahr wird das Völkerrecht gebrochen. Russische Soldaten foltern und verschleppen. Infrastruktur wird gezielt zerstört. Es gibt mehr als 300 000 Tote. Deshalb: Es muss alles – alles! – dafür getan werden,
(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist mit dem Antrag?)
dass Russland seinen Krieg endlich beendet.
(Beifall bei der LINKEN)
Da gibt es keine Relativierung meiner Fraktion. Das ist die Position meiner Fraktion.
Aber, lieber Herr Merz, wenn Sie hier mit einer ziemlich großen Klappe agieren, will ich Ihren Stellvertreter, Herrn Kretschmer, zitieren,
(Jan Korte [DIE LINKE]: Genau!)
der im November vom Einfrieren des Konflikts gesprochen hat,
(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es wird nicht besser!)
damit wir schnell wieder Öl aus Russland bekommen. Kümmern Sie sich um Ihre Fraktion!
(Beifall bei der LINKEN)
Und zur Demut nur so viel: Unter den Erstunterzeichnern – im Übrigen viele höchst ehrenwerte Persönlichkeiten – waren genau ein Mitglied der Linken, mehrere Unionsmitglieder, auch zehn Mitglieder der SPD.
(Jan Korte [DIE LINKE]: Genau!)
Hier tun Sie so, als würden wir die alleinige Verantwortung dafür haben. Kümmern Sie sich um Ihren Laden, und hören Sie auf mit einseitigen Schuldzuweisungen! Es haben mehr Unionsmitglieder unterzeichnet bei dieser Demonstration.
(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Sie meinen das Manifest!)
Das ist die Wahrheit.
(Beifall bei der LINKEN)
Auch zehn Sozialdemokraten haben das getan. Auch das gehört zur Wahrheit. Es war nur ein Mitglied der Linken. Das ist die Wahrheit.
(Zurufe von der SPD)
Meine Damen und Herren, wer den Krieg beenden will, der ist kein Friedensschwurbler, der ist auch kein Putin-Versteher. Wer Friedensverhandlungen fordert, der will das Sterben
(Zuruf der Abg. Anke Hennig [SPD])
und das Leid in der Ukraine beenden und der will die Möglichkeit der nuklearen Eskalation verhindern.
(Zuruf des Abg. Ulrich Lechte [FDP])
Es muss Schluss damit sein, dass diejenigen diffamiert und angegangen werden, die auch nur eine Kritik am Kurs der Bundesregierung äußern. Das kann doch nicht wahr sein.
(Beifall bei der LINKEN)
Mich erinnert das an eine Diskussionskultur wie bei Corona. Wie war denn das da? Wer gegen Kitaschließungen war, wer gegen die Impfpflicht war, der wurde als „Aluhut“ diskreditiert. Das ist doch die Wahrheit. Und heute ist es so: Wer gegen Kampfpanzerlieferungen ist
(Zuruf des Abg. Christian Schreider [SPD])
und Diplomatie einfordert, der wird von einer riesigen Allianz aus Politik und Medien als „naiv“ und „russlandfreundlich“ bezeichnet. Das ist eine unsägliche Verengung des Meinungskorridors.
(Stefan Schmidt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bringen Sie doch mal Argumente!)
Das schadet der Demokratie in unserem Land, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Dr. Malte Kaufmann [AfD])
Jürgen Habermas hat in der „Süddeutschen Zeitung“ zu Recht – und ich zitiere ihn – von einem „bellizistischen Tenor einer geballten veröffentlichten Meinung“ gewarnt, in der die „Hälfte der deutschen Bevölkerung nicht zu Wort“ kommt. Meine Damen und Herren, wie absurd ist es da, wenn die hier heute hochgelobte Außenministerin Annalena Baerbock sagt – und ich zitiere sie –: „Unsere Waffenlieferungen helfen … , Menschenleben zu retten.“
(Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es!)
Noch einmal: Unsere Waffen helfen, Menschenleben zu retten.
(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Ja!)
– Nein.
(Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Doch!)
– Nein, nein.
(Zuruf von der CDU/CSU: Ja!)
– Nein, nein.
(Saskia Esken [SPD]: Ja! Was ist zum Beispiel mit Luftverteidigung?)
Auch da hat Habermas recht. Er ist im Übrigen überhaupt nicht gegen Waffenlieferungen, aber er sagt: Wer Waffen liefert – und ich zitiere ihn wieder –, hat „eine moralische Mitverantwortung für Opfer und Zerstörungen“.
(Julia Klöckner [CDU/CSU]: Wer nichts tut, auch!)
Ich empfehle uns allen hier etwas mehr Nachdenklichkeit.
(Beifall bei der LINKEN)
Liebe Britta Haßelmann, diese unfassbare Selbstsicherheit
(Zuruf des Abg. Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
ist wirklich höchst problematisch. Da lobe ich mir die Nachdenklichkeit unseres Bundeskanzlers. Hier wird permanent unterstellt, was wir alles tun und machen würden. Das ist einfach die Unwahrheit.
Im Moment erleben wir das Gegenteil von Nachdenklichkeit: Diskussionen über Panzerkoalitionen, Forderungen nach mehr Milliarden für die Bundeswehr,
(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Setz dich doch mal mit Sahra Wagenknecht auseinander!)
100 Milliarden Euro seien zu wenig, die 2 Prozent müssten überboten werden. Wenn man findet, in Leopard-Klamotten
(Jan Korte [DIE LINKE]: Ja! Genau!)
irgendwo hingehen zu können, ist das überhaupt nicht lustig.
(Beifall bei der LINKEN)
Das sind gefährliche Kriegswaffen. Wenn man zärtlich von „Leos“ spricht, dann ist das die völlig falsche Herangehensweise. Angesichts der Herausforderungen, vor denen wir alle stehen – da sind wir uns vielleicht sogar einig –, von Armut bis Klimawandel, müssten doch diese Mittel nicht für Wettrüsten, sondern für andere Dinge ausgegeben werden. Da sind wir uns hoffentlich einig.
(Zuruf von der SPD: Nee!)
Meine Damen und Herren, im Januar wurde dem Bundeskanzler vorgeworfen, er würde Deutschland isolieren, wenn es keine Leopard-2-Lieferungen an die Ukraine gibt. Damit ist bewusst der Eindruck erweckt worden, jedes Land, das über Leopards verfügt, würde Waffen in den Krieg schicken, nur Deutschland bremse das aus. Das war glatte Panzerpropaganda. Richtigerweise liefern die allermeisten Länder heute überhaupt keine Kampfpanzer in die Ukraine, Frankreich zum Beispiel keinen einzigen. Ist Macron etwa ein Putin-Versteher oder ein Friedensschwurbler? Über die Türkei und Griechenland, die die meisten Leopards haben und nicht einen einzigen liefern, will ich überhaupt nicht reden. Ich hätte mir gewünscht, dass da der Kurs gehalten worden wäre. Denn eines ist doch klar: Diese Diskussion wird dazu führen, dass noch mal draufgelegt wird. Wenn Herr Melnyk jetzt sagt, er wette, dass Deutschland auch bald Kampfjets liefern werde, dann möchte ich diese Wette halten. Ich sage auch: Deutschland wird Kampfjets liefern. Ich wünsche mir nur, lieber Herr Bundeskanzler, dass ich diese Wette verliere. Es wäre so gut.
(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Dr. Malte Kaufmann [AfD])
Ich komme zum Schluss, meine Damen und Herren. Natürlich darf nicht über die Köpfe der Ukrainerinnen und Ukrainer hinweg verhandelt werden. Das ist völlig unstrittig.
Aber noch einmal: Jürgen Habermas spricht vom „vorbeugenden Charakter von rechtzeitigen Verhandlungen“, die verhinderten, dass der Westen nach einem Abnutzungskrieg nur noch vor der Wahl stehe, entweder selbst einzugreifen oder die Ukraine ihrem Schicksal zu überlassen. Dieses Szenario muss verhindert werden. Deshalb – –
Wir brauchen eine europäische Friedensinitiative – jetzt!
Danke schön.
(Beifall bei der LINKEN)