Rede in der Aktuellen Stunde zum Bundeswehr-Prüfbericht
Christine Buchholz (DIE LINKE):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir diskutieren heute über den Rüstungsprüfbericht und den Umgang von Frau von der Leyen mit demselben. Meine These ist: Die Antworten, die Frau von der Leyen und die Vertreter der Regierung geben, gehen an den eigentlichen Problemen vorbei. Frau von der Leyen, Sie räumen nicht auf, sondern Sie bedienen weiter die Profitinteressen der Rüstungsindustrie. Das hängt natürlich, Herr Arnold, damit zusammen, dass Sie gemeinsam die Bundeswehr auf Biegen und Brechen in globale Einsätze schicken wollen.
Schauen wir uns das Ganze genau an. Wir reden über die Verträge, die das Bundesverteidigungsministerium mit der Rüstungsindustrie schließt. Es wird hier immer so technisch über die Verträge und die Vertragsstrafen geredet. Ich will es einmal konkret machen: Der Eurofighter kostet den Steuerzahler am Ende 60 Milliarden Euro. Und an so vielen anderen Ecken und Enden fehlt das Geld! Nachdem der Preis pro Stück weiter explodierte, reduzierte das BMVg das Auftragsvolumen. Der Wert der Bestellung blieb gleich; doch der Triebwerkhersteller MTU erhielt im Dezember 2013 55 Millionen Euro Kompensationszahlungen für Triebwerke, die niemals gebaut worden sind. Airbus Defence fordert 900 Millionen Euro als Ausgleich für die Reduzierung der georderten Stückzahl.
Aber umgekehrt gilt das Ganze nicht. Wenn sich infolge von Schwachstellen an den ersten 33 ausgelieferten Flugzeugen die Lebensdauer verkürzt, dann werden die Ansprüche an den Hersteller wegen der Vertragslage womöglich nicht geltend gemacht werden. Meine Damen und Herren, es kann nicht sein, dass mit Steuergeld so umgegangen wird.
(Beifall bei der LINKEN)
Es ist nicht so, dass es in allererster Linie handwerkliche Probleme gibt; nein, das Problem hat System:
Erstens. In allen Projektgruppen, die diesen Beschaffungsprozess prägen, saßen von Anfang an Vertreter der Rüstungsindustrie. Sie werden mit daran beteiligt, die sogenannten Fähigkeitslücken zu definieren. So war beispielsweise EADS Hauptauftragnehmer für die Erstellung der Systemkonzeptstudie zum Euro Hawk.
Zweitens. Ministerium und Rüstungsindustrie teilen das Interesse, die Bundeswehr global in Einsatz zu bringen, und dies bei größtmöglicher Eigenständigkeit gegenüber amerikanischen Partnern und russischen Rivalen.
Drittens. Über Personen kann man das Ganze auch plastisch machen. Ich verweise auf den ehemaligen Minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Dirk Niebel, der nun Rüstungslobbyist bei Rheinmetall wird, oder auf Tom Enders, den jetzigen Vorstandsvorsitzenden der Airbus Group, der in der Vergangenheit als Beamter im Verteidigungsministerium gewirkt hat und bis 2011 Mitglied der CSU war. Es wundert nicht, dass die Regelung der Regierung zu Karenzzeiten ein zahnloser Tiger ist.
(Beifall bei der LINKEN)
Wie geht die Rüstungsindustrie mit dem Bericht um? Sie jammert ja immer viel; dabei ist die Realität, dass deren Jahresumsatz 2013 knapp 30 Milliarden Euro betrug. Seit 2005 wächst die Rüstungsindustrie jährlich im Schnitt um 4,3 Prozent. Sie ist gierig. Sie verlangt mehr. Adamowitsch, der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie, fordert jetzt, dass die Deckelung von Gewinnmargen aufgebrochen wird. Meine Damen und Herren, das kann doch nicht wahr sein!
(Beifall bei der LINKEN)
Frau von der Leyen produziert weiter Kosten für den Steuerzahler. Denn anstatt die ausufernden Kosten einzudämmen, kündigt das BMVg jetzt im Begleitschreiben zum KPMG-Bericht an, dass noch in diesem Jahr mehrere wichtige Rüstungsbeschaffungsentscheidungen auf den Weg gebracht werden sollen.
In diesem Zusammenhang kurz ein Wort zum Euro Hawk: Ich halte es für eine absolute Schnapsidee, den Euro Hawk, der bereits eine halbe Milliarde Euro verschlungen hat, aus der Mottenkiste zu holen.
(Florian Hahn (CDU/CSU): Was wollen Sie stattdessen machen?)
Die Kostenexplosion ist vorprogrammiert. Von daher: Ersparen Sie dem Steuerzahler dieses weitere Milliardengrab.
(Beifall bei der LINKEN)
Die Regierung, Frau von der Leyen, die CDU nutzen die jetzige Debatte,
(Florian Hahn (CDU/CSU): Die CSU auch, Frau Buchholz!)
um eine weitere Diskussion voranzutreiben, nämlich die über die perspektivische Erhöhung des Rüstungsetats. Sie fordern mehr Geld für Rüstung in der Zukunft. Wir sagen Nein. Nutzen Sie jetzt nicht die Diskussion über die aufgetretenen Mängel, um an dieser Stelle Druck zu machen. Eine Erhöhung des Rüstungsetats werden wir, die Linke, nie mitmachen.
(Beifall bei der LINKEN ‑ Henning Otte (CDU/CSU): Wer soll denn die Hilfsgüter in den Nordirak bringen, Frau Buchholz?)
Internationale Verantwortung bedeutet die Abkehr von immer mehr militärischen Einsätzen. Internationale Verantwortung heißt Abrüstung. Sie setzt auf zivile Krisenlösungen. Internationale Verantwortung heißt auch, endlich den Filz zwischen Rüstungsindustrie und Politik aufzulösen.
(Beifall bei der LINKEN)