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Unabhängigkeit des Journalismus bewahren

Rede von Petra Sitte,

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ja, die Unabhängigkeit des Journalismus ist ein hohes Gut, erst recht im Kontakt mit der und zur Politik. Warum? Weil hier der Presse eben eine Kontrollfunktion zukommt. Gleichzeitig geht damit immer auch eine gewisse Nähe einher: Es ergeben sich Kontakte, es ergeben sich Seitenwechsel, es ergeben sich Gelegenheiten und Gefälligkeiten. Die nötige Distanz und Unabhängigkeit zu wahren, ist eine Frage journalistischer Ethik; aber dies ist eben vor allem auch eine Verantwortung der Politik selbst. Das gilt natürlich für Staat und Regierung. Dieser Verantwortung ist der Bundeskanzler nicht nachgekommen,

(Beifall bei der LINKEN)

als er sich auf der Internetkonferenz re:publica von einer dafür ausgesuchten und bezahlten Journalistin hat interviewen lassen. Mit keiner Silbe wurde dies transparent gemacht, und schlimmer noch: Er hat durchaus versucht, den Umstand der Bezahlung auch noch zu verschleiern. Und schaut man sich nun das Ergebnis an, dann fragt man sich schon: War dieses assistierte Nichtssagen der Mühe überhaupt wert? Ganz ehrlich: Nein.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, man muss die staatliche Praxis, Medienschaffende für Moderationen oder Schulungen zu bezahlen, überhaupt nicht grundsätzlich verwerfen. Allerdings erfordert das eben eine hohe Sensibilität, absolute Transparenz und natürlich klare Honorarstrukturen. Es muss aber vor allem auch einen klaren Abstand zur Berichterstattung geben. Schon der Anschein von Interessenkonflikten ist zu vermeiden. Auch unabhängig von Honorarflüssen ist kritisch zu bewerten, dass sich Spitzenpolitiker ihre medialen Gesprächspartner selbst aussuchen. Da wird doch bewusst ein Schaustück aufgeführt, und letztlich kostet das Vertrauen.

Damit nicht genug: Wenn es um sogenannte Geschäftsbeziehungen von Journalisten mit der Bundesregierung geht, kann – darauf will ich hier gerne einmal hinweisen – der BND nicht unerwähnt bleiben. Er nimmt sich entgegen journalistischer Ethik anscheinend das Recht heraus, Journalisten als Quellen zu führen. Danach gefragt, will er keinerlei Angaben zu journalistischen Kontakten und Aufträgen machen. Das halten wir für einen unglaublichen Vorgang.

(Beifall bei der LINKEN)

So weit dazu.

Jetzt zur AfD. Es ist schon einigermaßen absurd – da kann ich meinen Kollegen nur zustimmen –, wenn gerade Sie hier die journalistische Unabhängigkeit verteidigen wollen. Keine Partei begegnet Medienschaffenden, die sie kritisieren oder nicht auf ihrer Linie sind, mit einer derart offenen Feindschaft. Unabhängige Berichterstattung von Ihren Parteitagen – Kollegen haben es gesagt – wird nicht zugelassen. Und gerade im Umfeld dieser Partei hat sich eine enthemmte Pressefeindlichkeit etabliert, die immer öfter auch in Gewalt umschlägt. 320 gegen Medien gerichtete Straftaten,

(Zuruf des Abg. Stephan Brandner [AfD])

davon 46 Gewaltdelikte, verzeichnet die Statistik für 2022, ein neuer Höchststand.

(Stephan Brandner [AfD]: Erzählen Sie weiter Ihre Märchen!)

– Dass Sie darüber lachen, Herr Brandner, wundert mich jetzt wiederum gar nicht. – In der Antwort auf eine Kleine Anfrage meiner Fraktion standen genau diese Zahlen. Also ist die AfD die denkbar unglaubwürdigste Kämpferin für journalistische Unabhängigkeit.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Widerspruch des Abg. Stephan Brandner [AfD])

Weiter im Problemaufriss. Wer von unabhängigem Journalismus spricht, darf auch wirtschaftliche Abhängigkeiten nicht verschweigen. Privat finanzierte Medien sind immer wirtschaftlichem Druck ausgesetzt. Teilweise sind sie selbst mit finanzkräftigen wirtschaftlichen Interessen verbandelt. Aufträge, die von der Privatwirtschaft und ihren Lobbyisten ausgehen, sind nicht weniger geeignet, Interessenkonflikte zu erzeugen, als staatliche Aufträge. Umso wichtiger ist es, mit den Öffentlich-Rechtlichen eine Säule beitragsfinanzierter, aber vom Staat unabhängiger Medien zu haben. Deren Unabhängigkeit und deren Vielfalt gilt es zu stärken, gerade in der aktuellen Debatte um ihre strukturellen Probleme bzw. ihre neue strukturelle Aufstellung. Das unwürdige Schauspiel um die Zusammensetzung des Zukunftsrates war in diesem Zusammenhang leider kein guter Anfang. Für alle, die das nicht wissen: Seine Besetzung ist nun ausschließlich durch Parteien bestimmt.

Umso nachdrücklicher fordern wir abschließend: Politik muss die Unabhängigkeit der Presse ernst nehmen und das auch aktiv unterstützen. Alles andere diskreditiert Presse und Politik gleichermaßen.

Sofort, letzter Satz. – Vertrauen und Verlässlichkeit müssen gewahrt bleiben; denn sie grundieren schließlich Demokratie.

Danke.

(Beifall bei der LINKEN)