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Tierhaltungskennzeichnung nicht durchdacht

Rede von Ina Latendorf,

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Grundsätzlich begrüßen wir Linken die verbindliche Tierhaltungskennzeichnung auf Lebensmitteln. Die freiwillige Kennzeichnung, wie es der Handel gerade macht, umfasst nicht alle Fleischangebote, und es haben nicht alle Hersteller mitgemacht. Ziel dieses Labels war vor allem, sich über ein Vermarktungskriterium von Konkurrenzprodukten abzuheben. Schlechtere Haltungsformen wurden eher nicht gekennzeichnet. Eine staatliche Kennzeichnung hingegen soll die Endverbraucherinnen und Endverbraucher neutral informieren. Sie wird kontrolliert und ist verpflichtend.

(Zuruf von der LINKEN: Genau!)

Das Gesetz ist damit ein Schritt in die richtige Richtung.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Doch nun zu den Lücken: Zuerst wäre aus meiner Sicht eine Anpassung der Tierschutzgesetzgebung und der Nutztierhaltungsverordnung nötig und wichtig. Hierdurch wäre eine Anhebung des gesetzlichen Mindeststandards für alle Tierarten möglich. Dies ist längst überfällig.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Der Minister sagte eben: „Wir müssen jetzt endlich loslegen!“ Kollegin Mittag sagte: Neun Gesetze sind in der Pipeline, sind angekündigt. – Und ich sage: Tun Sie es! Wir werden hier konstruktiv mitarbeiten.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Susanne Mittag [SPD]: Super!)

Kritisch ist aus meiner Sicht zweitens, dass die vorgeschlagene Regelung nicht geeignet ist, den gesamten Lebenszyklus aller Tierarten abzubilden. Dies würde die Bewertung von der Erzeugung bis hin zur Schlachtung bei allen tierischen Produkten, sowohl bei einheimischen als auch bei Importprodukten, bedeuten – und dies gemeinsam in Europa. Das wäre die Komplettlösung.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Peggy Schierenbeck [SPD])

Kritikpunkt Nummer drei. Dieses Siegel bildet nur den aktuellen Zustand ab. Aber unser Ziel muss es sein, den Standard in der Tierhaltung konsequent weiterzuentwickeln, ihn über alle Tierarten und Wirtschaftsformen hinweg deutlich anzuheben, und zwar gemeinsam mit den Tierhaltern; das kann ich hier nur wiederholen. Die bäuerlichen Landwirtschaftsbetriebe kritisieren, dass die Empfehlungen der Borchert-Kommission viel weitreichender und zukunftsweisender waren als dieser Gesetzentwurf; es fehle an einer Synchronisierung zwischen Tierhaltungskennzeichnung, Nutztierhaltungsverordnung, Finanzierung, Baurecht und Immissionsschutzrecht.

Ein weiterer – vierter – Kritikpunkt. Diese zusätzliche Kennzeichnung wird die Verbraucherinnen und Verbraucher, befürchte ich, verwirren, weil die bestehenden Kennzeichnungen mit der angestrebten nicht kompatibel sind.

Kritikpunkt Nummer fünf. Die Verbraucher/-innen werden mit dieser Kennzeichnung getäuscht. Sie könnten es als Tierwohllabel verstehen, als eine Aussage, dass es den Tieren besonders gut gehen würde. Aber das ist nicht der Fall. Beim gesetzlichen Mindeststandard „Stall“ ebenso wie bei den unteren Stufen des Labels wie „Stall+Platz“ ist ein ausreichendes Mindestmaß an Tierschutz und Tierwohl einfach nicht gegeben. Konventionelle Tierhalter, die in Tierwohl investiert haben, welches über die EU-Öko-Verordnung hinausgeht, landen nach den bisherigen Entwürfen in einer niedrigeren Stufe als Biobetriebe, die nur das absolute Minimum erfüllen. Das darf aus meiner Sicht nicht sein.

(Beifall bei der LINKEN)

Bisher reden wir hier ausschließlich vom Schweinefleisch. Es fehlen die konkreten Termine für die Erweiterung der Kennzeichnungspflicht für verarbeitete Produkte und weitere Tierarten. Auch die Bundestierärztekammer kritisiert wie wir, dass der Entwurf weit hinter den Erwartungen zurückbleibt. Selbst die freiwillige Kennzeichnung der Handelsketten umfasst neben Schwein auch Rind, Geflügel sowie Kaninchen. Warum, meine Damen und Herren, schaffen Sie es nicht, diese in Ihr Gesetz mit aufzunehmen?

(Beifall bei der LINKEN)

Und auf noch einen Punkt möchte ich eingehen. Dieses Gesetz geht zulasten Dritter. Der große Brocken der Kosten und der Arbeit liegt nämlich bei den Ländern. Von den 1,4 Millionen Euro Erfüllungsaufwand haben die Länder 1,34 Millionen Euro zu tragen. Auch die praktische Umsetzung ist durch die zuständigen Behörden der Länder zu leisten. Das sind häufig die Veterinärämter; deren Be- und Überlastung haben wir hier in der vergangenen Sitzungswoche debattiert und uns ganz klar vor Augen geführt.

Verehrte Kollegen aus der Ampel, Sie wollen mit diesem Gesetz dem Verbraucher Orientierung geben. Ich sage Ihnen: Man muss sich, gerade in diesen Zeiten, eine Wahl zwischen „Stall“ und „Bio“ erst mal leisten können. Solange dies nicht der Fall ist, hilft uns die Kennzeichnung nicht weiter.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)