Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was hier heute vorliegt, ist der wahrgewordene Steuersenkungstraum eines FDP-Chefs, der die Zeichen der Zeit nicht erkannt hat. Das attestiert Ihnen, Herr Bundesfinanzminister, der eigene Expertenrat der Bundesregierung, die Wirtschaftsweisen. Mit Erlaubnis der Präsidentin zitiere ich aus diesem Gutachten:
"Der Zeitpunkt für den Abbau der kalten Progression scheint ungünstig gewählt."
Was Sie, Herr Müller, ein Inflationsausgleichsgesetz nennen, ist in Wahrheit ein Spitzenverdienerentlastungsgesetz. So weit, so gut.
(Beifall bei der LINKEN – Markus Herbrand [FDP]: Das stimmt nicht!)
Meine Damen und Herren gerade von SPD und Grünen, als ich gesehen habe, dass Sie bei dieser Mission mitmachen, ist mir wirklich manchmal die Spucke weggeblieben; denn durch die Verschiebung der Tarifwerte werden die Spitzenverdiener am meisten begünstigt. Da Zahlen nicht lügen, hier die Belege: Mit Ihrem Spitzenverdienerentlastungsgesetz spart ein sehr gut verdienender Single 1 338 Euro pro Jahr, der Durchschnittsverdiener 502 Euro, der Geringverdiener 361 Euro, und wer in Teilzeit malocht und kaum Einkommensteuer zahlt, der geht leer aus. Das schlägt doch dem politischen Fass den Boden aus.
(Beifall bei der LINKEN – Zuruf des Abg. Maximilian Mordhorst [FDP])
Um es noch mal klarzustellen: Wir als Linke sind selbstverständlich grundsätzlich dafür, dass die kalte Progression ausgeglichen wird. Aber in der momentanen Situation sollten bitte vor allen Dingen diejenigen entlastet werden, die unter dieser Krise zu kämpfen haben und den Laden am Laufen halten: die Kassiererinnen und Kassierer, die Postboten, die Grundschullehrer, die Polizisten,
(Maximilian Mordhorst [FDP]: Die zahlen auch Steuern!)
aber nicht der DAX-Manager, der Bundesligaprofi oder die Unternehmensberaterin.
(Beifall bei der LINKEN – Christine Aschenberg-Dugnus [FDP]: Das ist billig, was Sie hier vorbringen!)
Das sehe nicht nur ich so. – Ich verstehe ja Ihre Aufregung, liebe FDP. – Das sind Ihre Wirtschaftsweisen, die Ihnen das empfehlen. Die wollen sogar den Spitzensteuersatz zeitweise erhöhen und machen den Vorschlag eines Energiesolis für Besserverdienende.
(Beifall bei der LINKEN)
Meine Damen und Herren, das Gesetz ist zudem noch schweineteuer. Man fragt sich, wie das sein kann, wo doch der Finanzminister überall kürzen oder sparen will, um die Schuldenbremse wenigstens ideologiefrei einzuhalten. Energiepreispauschale, Mehrwertsteuersenkung auf Grundnahrungsmittel, das 9‑Euro-Ticket – all diese Vorschläge lagen auf dem Tisch und wurden abgelehnt. 50 Milliarden Euro kostet jetzt das Ganze. Mehr als die Hälfte davon fließt in die dicken Geldbeutel und kommt nicht aus dem Bundeshaushalt, sondern von den Ländern und Kommunen dieser Bundesrepublik. Ich habe es Ihnen schon mal gesagt, Herr Bundesfinanzminister – Sie schmücken sich ja mit diesem Spitzenverdienerentlastungsgesetz –: Sie haben ein fettes Menü bestellt und die Vorspeise bezahlt, aber unabgesprochen die Rechnung beim Nachbarn auf den Tisch gelegt. Und zur Wahrheit gehört: Gestern um 11.48 Uhr gab es den Gesetzentwurf, und darin hat man den Ländern und Kommunen noch mal 3,5 Milliarden Euro ins Obligo geschrieben. Das ist unanständige Finanzpolitik. Insofern lehnen wir Ihren Gesetzentwurf ab.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)