Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Seit Tagen demonstrieren im Iran Bürgerinnen und Bürger, allen voran sehr mutige Frauen und Mädchen, gegen das theokratische Regime des Landes. Sie gehen auf die Straße gegen die Repression der Ajatollahs, gegen die Brutalität der Sittenwächter, für ihre Freiheit und Menschenrechte.
Die Ermordung der Kurdin Jina Mahsa Amini hat zu landesweiten Protesten geführt, die blutig niedergeschlagen werden. Mindestens 76 Tote und über 1 500 Verhaftungen gibt es schon. Diese Staatsgewalt verurteilen wir aufs Schärfste.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wir bekommen nur einen Bruchteil der Geschehnisse mit, weil die Medien und das Internet im Iran eingeschränkt bzw. gleichgeschaltet sind. Die Gewaltexzesse gegen friedliche Demonstrationen müssen aber unverzüglich beendet werden. Jeder einzelne Todesfall muss von den Behörden aufgeklärt werden. Dafür brauchen wir eine unabhängige internationale Untersuchungskommission – eine UN‑Menschenrechtskommission mit zivilen Vertreterinnen und Vertretern, die diese ganzen Fälle untersuchen müssen. Das fordern auch die Aktivistinnen und Aktivisten sowie die Zivilgesellschaft und die NGOs vor Ort.
(Beifall bei der LINKEN)
Ich finde es gut, dass in Deutschland und in anderen Ländern viele Menschen auf die Straße gehen, um sich mit den mutigen Frauen im Iran zu solidarisieren. Als Bundestagsabgeordnete mit kurdischer Migrationsgeschichte weiß ich, wie wichtig Solidarität in solchen Zeiten ist.
Die deutsche Realpolitik führt unter der Ampelkoalition weiterhin einen Kuschelkurs gegenüber Autokratien: gegenüber dem Mullah-Regime, das Frauen unterdrückt, gegenüber Erdogan, der Kurdinnen und Kurden mit chemischen Waffen bekämpft, gegenüber den Saudis, die im Jemen jahrelang Zivilisten bombardiert haben. Erdogan möchte man als NATO-Verbündeten nicht verlieren; außerdem soll er ja die Flüchtlinge aus Europa fernhalten. Saudi-Arabien ist wichtiger Energielieferant. Und bei dem Mullah-Regime im Iran fürchtet man eine Gefährdung der Neuauflage des Atomabkommens. Im Großen und Ganzen geht es hier wieder um Profite und geostrategische Interessen. Aber so darf es nicht weitergehen.
(Beifall bei der LINKEN)
Die mutigen Frauen im Iran brauchen unsere Solidarität. Frau Baerbock hat nach ihrem Amtsantritt eine feministische Außenpolitik angekündigt. Auch wenn Sie in Ihrer Außenpolitik inzwischen von „Kriegsmüdigkeit“ sprechen, wäre jetzt die Zeit, unter Beweis zu stellen, dass Sie es mit dem Feminismus wirklich ernst meinen. Handeln Sie endlich!
(Beifall bei der LINKEN)
Meine Damen und Herren, die Repressionen des Regimes in Teheran sind auf einem Höhepunkt. Amnesty International hat recherchiert, dass im ersten Halbjahr 2022 im Iran mindestens 251 Menschen hingerichtet wurden, oftmals nach grob unfairen Gerichtsverfahren. Tausende Menschen wurden in den vergangenen Jahren strafrechtlich verfolgt und willkürlich inhaftiert. Deshalb brauchen wir Schutz und Aufnahme für Menschen, die vor dem Regime im Iran fliehen.
(Beifall bei der LINKEN)
Derzeit liegt die Schutzquote bei den Asylverfahren von Iranerinnen lediglich bei 30 Prozent. Und stellen Sie sich einmal vor: Laut „taz“ hatte die bayerische Polizei in einem Fall einer Iranerin das Kopftuch aufgezwungen, um sie ordnungsgemäß abschieben zu können. 2017 meinte das Verwaltungsgericht Nürnberg, dass die Strafverfolgung im Iran wegen Verstoßes gegen Kleidervorschriften nicht asylrelevant sei; das habe keine politische Bedeutung. Mich macht so etwas angesichts der Entwicklungen im Iran einfach fassungslos.
(Beifall bei der LINKEN)
Die geschlechtsspezifische Unterdrückung von Frauen im Iran muss hier in Deutschland als Asylgrund anerkannt werden, und es darf keine Abschiebungen in den Iran geben.
(Beifall bei der LINKEN)
Meine Damen und Herren, die aktuellen Proteste im Iran hatten in der Provinz Kurdistan-Rojhelat ihren Anfang und haben sich im gesamten Land verbreitet. Ich möchte auch noch einmal daran erinnern, dass es die mutigen kurdischen Fraueneinheiten der YPJ sind, die in der gesamten Region für die Befreiung der Frauen kämpfen und große Opfer bringen. Die Parole der kurdischen Frauenbewegung „Jin, Jiyan, Azadi“ – übersetzt: „Frauen, Leben, Freiheit“ – hat weltweit Zuspruch gefunden. Unter diesem Slogan legen Frauen ihre Kopftücher ab und schneiden sich aus Protest die Haare, weil sie zeigen wollen: Sie wollen leben, sie wollen in Freiheit und selbstbestimmt leben.
Ich bin beeindruckt vom Kampf meiner Schwestern im Iran und in Kurdistan und möchte ihnen meine internationalistischen und feministischen Grüße senden.
Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN)