Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Einen wunderschönen guten Abend!
"Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt."
"Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden."
So steht es in den Artikeln 1 und 3 unseres Grundgesetzes, was für uns alle Verpflichtung sein sollte.
(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Die Umsetzung der EU-Richtlinie hätte ein großer Wurf für die digitale Barrierefreiheit werden können; jedoch haben Regierung und Koalitionsfraktionen nicht den Willen, hier als Vorbild voranzugehen. Sie sehen selbst für öffentliche Stellen zahlreiche Ausnahmeregelungen erneut vor – und das trotz zahlreicher kritischer Stellungnahmen in der öffentlichen Anhörung am Montag dieser Woche.
Mit dem neuen § 12a Absatz 6 des BGG bleiben Sie weit hinter dem geltenden Recht zurück. Ebenso ist die fehlende umfassende Verpflichtung zu barrierefreien Programmoberflächen ein fataler Rückschritt.
(Beifall bei der LINKEN)
Das kann man schon als Skandal bezeichnen.
Beides kann auch Ihr Änderungsantrag nicht korrigieren. Wenn Sie sich nach der Anhörung und Ihren Änderungsanträgen – Herr Beeck hat es schon zitiert – die Stellungnahme des Blinden- und Sehbehindertenverbands anschauen, werden Sie genau das zur Kenntnis nehmen.
In weiteren zwei Punkten bleiben Sie hinter den Anforderungen der EU-Richtlinie deutlich zurück. Sie sollten besser den Betroffenen zuhören.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wie lief denn die Beteiligung bei der Erstellung Ihres Gesetzentwurfs ab, liebe Regierungsfraktionen? Sie sagen, Sie hätten die Verbände umfänglich beteiligt. Dies bewerten insbesondere die Verbände und Selbsthilfeorganisationen völlig anders. Eine Woche ist bei weitem nicht ausreichend und auch nicht angemessen.
(Beifall bei der LINKEN – Kerstin Tack [SPD]: Sagen Sie doch einmal etwas Inhaltliches!)
Genau eine Woche hatten die Interessenvertretungen Zeit, auf diesen Gesetzentwurf zu reagieren. Das ist nach Auffassung der Linken deutlich zu wenig. Diese Verfahrensweise kann nur als Pseudobeteiligung bezeichnet werden.
(Beifall bei der LINKEN)
Bei dieser Sachlage bekomme ich Zweifel: Sind die Artikel 1 und 3 des Grundgesetzes überall bekannt, und werden sie auch entsprechend angewandt? Eine inklusive Gesellschaft ist nach Auffassung der Linken das Ziel unseres Rechtsstaats. Demnach wird kein Mensch strukturell benachteiligt oder ausgeschlossen. Daher: Sorgen wir gemeinsam dafür, dass auch im privaten Leben keine Barrieren vorhanden sind!
(Beifall bei der LINKEN)
Ihr Ansatz, die private Wirtschaft freiwillig zur Umsetzung der Barrierefreiheit zu bewegen, ist ganz offensichtlich gescheitert.
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, stellen Sie sich vor, Sie hätten eine Behinderung und wollten mit Freunden ins Kino oder ins Restaurant gehen, könnten das aber nicht, weil Sie nicht dort hineinkommen; denn dort warten unüberwindliche Barrieren. Wie würde es sich anfühlen, wenn Ihr Arzt für Sie nicht erreichbar wäre, weil man an ihn nicht herankommt? Oder Sie laufen an einem Bäcker vorbei und riechen zwar die leckeren Brötchen, können sie sich aber nicht kaufen, weil Sie nicht hinkommen.
Einsamkeit, Würdelosigkeit, Wut und Hilflosigkeit sind einige der Gefühle, die mir Betroffene, als wir über diesen Gesetzentwurf gesprochen haben, geschildert haben. Es ist unsere Pflicht, diesen Menschen zu helfen. Die Linke will einen weiteren Schritt in Richtung barrierefreie und inklusive Gesellschaft gehen.
(Beifall bei der LINKEN)
Da sich die Privatwirtschaft nicht freiwillig bewegt, müssen wir den Druck erhöhen. Wir wollen die Privatwirtschaft zur Barrierefreiheit verpflichten.
(Beifall bei der LINKEN)
Menschenrechte dürfen nicht auf dem Altar der Profitinteressen geopfert werden. Der Staat muss die Rahmenbedingungen zur Umsetzung der Barrierefreiheit schaffen. Die Linke will auch ein Verbandsklagerecht im AGG verankert wissen. Nur mit wirksamen Werkzeugen wie genau diesem für die entsprechenden Verbände kann der notwendige Druck auf die Privatwirtschaft erzeugt werden.
(Beifall bei der LINKEN)
In Ihrem Koalitionsvertrag – ich will noch mal reinschauen; ich weiß ja nicht, wie lange er noch gilt – wollen Sie – ich zitiere – „prüfen, wie Private … angemessene Vorkehrungen umsetzen können“. Das ist bei weitem nicht ausreichend.
(Beifall bei der LINKEN)
Genau deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, bringt meine Fraktion heute unseren Antrag zur Abstimmung. Den vorliegenden Gesetzentwurf, der die Betroffenen keinen einzigen Schritt weiterbringt, lehnen wir als Fraktion ab.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der LINKEN)