Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Globalisierung, Digitalisierung und der dringend notwendige ökologische Umbau unserer Wirtschaft lösen große Sorgen bei vielen Beschäftigten aus, die sich fragen, was diese Umbrüche für sie und ihren Arbeitsplatz mit sich bringen – und das leider häufig aus gutem Grund.
Ein Garant, dass die Beschäftigten bei diesen Umbrüchen nicht unter die Räder kommen, ist eine starke Mitbestimmung. Und dabei geht es nicht nur um die betriebliche Mitbestimmung, sondern insbesondere auch um die Mitbestimmung in zentralen wirtschaftlichen Fragen, wie sie – zumindest begrenzt – die Unternehmensmitbestimmung in Deutschland für große Unternehmen ermöglicht.
(Beifall bei der LINKEN)
Denn Mitbestimmung kann nicht nur heißen, hinterher im Betrieb die Scherben aufzukehren, die einsame Managemententscheidungen verursachen können. Mitbestimmung heißt auch, dass die Beschäftigten und ihre Gewerkschaften im Vorhinein über grundsätzliche Fragen, zum Beispiel wenn es um zukünftige Investitionen geht, mitentscheiden können müssen.
(Beifall bei der LINKEN)
Aber bereits seit vielen Jahren wird in Deutschland die Unternehmensmitbestimmung regelrecht unterlaufen. Hatten 2002 noch 767 Unternehmen mit über 2 000 Beschäftigten einen paritätisch besetzten Aufsichtsrat, so waren es 2021 nur noch 656 Unternehmen. In jedem dritten Unternehmen mit mehr als 2 000 Beschäftigten fehlt so inzwischen der mitbestimmte Aufsichtsrat. Die grenzübergreifende Mobilität europäischer Unternehmen und uneinheitliche Regelungen für unterschiedliche Unternehmensrechtsformen haben diesen Prozess massiv verstärkt. Das ist unhaltbar; deshalb müssen die Schlupflöcher und Lücken dringend geschlossen werden.
(Beifall bei der LINKEN)
Mit dem jetzt vorgelegten Gesetzentwurf, der ja nur grenzübergreifende Umwandlungen und Aufspaltungen tangiert, wird nur ein kleiner Teil des Problems adressiert; dieser geht aber in die richtige Richtung. Im parlamentarischen Verfahren werden wir schauen müssen, wo wir die Vorschläge des Deutschen Gewerkschaftsbundes dazu aufgreifen und den Gesetzentwurf noch ein bisschen nachfeilen können. Doch das eigentliche Problem, dass im Rahmen der grenzüberschreitenden Mobilität von Unternehmen weiterhin unternehmensmitbestimmungsfreie Zonen entstehen, wird nicht adressiert.
Erstens. Unternehmen wie H&M, Primark und Bauhaus, die eine ausländische Rechtsform besitzen, aber hier ihren Verwaltungssitz haben, werden von dem bestehenden Unternehmensmitbestimmungsrecht nicht erfasst. Das ist ein Problem. Das muss sich ändern. Auch auf ausländische Unternehmensrechtsformen von Firmen, die in Deutschland ihren Verwaltungssitz haben, muss die Unternehmensmitbestimmung erstreckt werden.
(Beifall bei der LINKEN)
Zweitens. Noch gravierender ist der Befund bei der Europäischen Aktiengesellschaft, kurz: SE. In Deutschland sind inzwischen – nach den letzten mir bekannten Zahlen – 107 Unternehmen mit mehr als 2 000 inländischen Beschäftigten als SE registriert. Doch 86 dieser SE-Gesellschaften vermeiden die paritätische Mitbestimmung und deutsche Mitbestimmungsgesetze, obwohl sie über den jeweiligen Schwellenwerten liegen. Das ist ein Problem, und das können wir so nicht länger zulassen, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Marianne Schieder [SPD] und Frank Bsirske [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Dabei sind auch prominente Beispiele: Deichmann, Zalando, auch die Tesla Manufacturing in Brandenburg sind solche SE, die die bestehenden Mitbestimmungslücken nutzen, um zu verhindern, dass die Beschäftigten auf Augenhöhe über zentrale Fragen mitbestimmen.
Wenn Sie es ernst meinen mit ein klein wenig Demokratie in der Wirtschaft, mit ein klein wenig Demokratie in Unternehmen, –
– dann lassen Sie uns dafür sorgen, dass es nicht nur beim Klein-Klein bleibt, wie es der vorliegende Gesetzentwurf adressiert, sondern dass wir die großen Fragen adressieren: Alle Lücken, die die Mobilität europäischer Unternehmen schafft –
– ich komme zum Schluss –, müssen endlich geschlossen werden.
Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN)