Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste auf den Tribünen! Ja, Fahrradfahren wird immer beliebter – aus guten Gründen: Man ist nicht nur flexibel unterwegs, sondern auf kurzen Strecken meistens auch schneller. Radfahren ist nicht nur gesund, sondern auch kostengünstig. Fahrradfahren produziert weder Lärm noch Abgase. Das schont die Umwelt und macht das Leben angenehmer. Viele von Ihnen radeln bestimmt mit Freude im Urlaub, als Sport und zur Erholung, und in vielen Regionen geht das inzwischen auch ziemlich gut.
Aber das reicht nicht. Es geht darum, dass der Alltag auf den Straßen insgesamt viel fahrradfreundlicher werden muss. Die Berliner Zeitung zeigte gestern auf ihrer Titelseite weiße Gedenkfahrräder, die an die wachsende Zahl von Fahrradunfallopfern erinnern: 17 Getötete, 12 davon von Lkw überrollt oder von Pkw gerammt; dazu 583 Schwerverletzte im Jahr 2016 allein in der Stadt Berlin.
Wir alle wissen, dass das wichtigste Mittel gegen solche Unfälle sichere Radwege sind.
(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Das ist die zentrale Herausforderung, die überall gemeistert werden muss. Es ist klar, dass vieles davon in den Städten passieren muss und auch schon getan wird – es gibt viele gute Beispiele –; aber im Großen und Ganzen geschieht viel zu wenig, und es geht viel zu langsam. Das liegt auch an diesem Bundestag und an der Bundesregierung. Sie ruhen sich darauf aus, dass es einen Nationalen Radverkehrsplan gibt – ausgestattet mit 100 Millionen Euro pro Jahr. Das ist nicht einmal 1 Prozent von den Investitionsmitteln im Verkehrsetat. Aber der Fahrradverkehr hat heute schon einen Anteil von 10 Prozent. Hier muss dringend umverteilt werden.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wir Linke fordern, dass uns die unsinnigsten Ausbauprojekte für Autobahnen aus dem Bundesverkehrswegeplan erspart bleiben. 10 Milliarden Euro könnte man so verfügbar machen und damit stattdessen einen Verkehrswendefonds füllen – das schlagen wir vor –, einen Fonds, aus dem die Kommunen zweckgebunden Geld für den Umbau ihrer Verkehrsinfrastruktur bekommen: 1 Milliarde Euro pro Jahr, und das zehn Jahre lang.
(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Damit könnte wirklich viel für bessere Fahrradverkehrsverhältnisse getan werden, und zwar rasch.
Wir schlagen auch vor, dass Bürgerinitiativen und Verbände die Möglichkeit erhalten, Projektmittel aus diesem Fonds zu beantragen, weil man nicht darauf warten kann, dass auch in der letzten Gemeinde die Verwaltung aufwacht.
(Stefan Zierke [SPD]: Also die Kommunen sind nicht kompetent!)
Außerdem kann der Bund die Straßenverkehrs-Ordnung reformieren. Dort sind die Belange des Fahrradverkehrs viel zu wenig berücksichtigt, und das muss sich ändern.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Kollege Storjohann, Sie haben neulich auf einem Podium gesagt: Wenn ich in meiner Fraktion vom Fahrrad rede, dann schauen mich alle an wie ein Auto.
(Tino Sorge [CDU/CSU]: Wie ein deutsches Auto!)
Genau das ist das Problem. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Regierungskoalition – es sind leider sehr wenige da –,
(Steffen Bilger [CDU/CSU]: Wir sind gut vertreten!)
benutzen Sie eine Woche lang einfach mal das Fahrrad und nicht den Fahrdienst!
(Kirsten Lühmann [SPD]: Das tun wir, und das wissen Sie!)
Wenn Sie das getan haben, wissen Sie genau, wo es brennt und was geändert werden muss.
(Thomas Jarzombek [CDU/CSU]: Dann sieht man die Kollegen im Auto sitzen! Das passiert dann! Das ist mir jedenfalls schon passiert!)
Ich nenne nur ein paar Beispiele: Da ist ein schmaler Radweg auf dem Gehweg, auf dem Baumwurzeln Sie durchschütteln. An der Bushaltestelle ist Chaos, weil die Leute ein- und aussteigen; wenn Sie ausweichen, besteht Kollisionsgefahr mit fotografierenden Touristen; dann lieber auf der Straße radeln.
(Patrick Schnieder [CDU/CSU]: Sie reden über das rot-rot-grün regierte Berlin! Richtig! Rot-Rot-Grün in Berlin! Bravo!)
– Da wird einiges passieren. Sie haben den Koalitionsvertrag vielleicht gelesen.
(Patrick Schnieder [CDU/CSU]: Deshalb ruckelt es ja auch so!)
Das Fahrradvolksbegehren wird dort umgesetzt. Die rot-rot-grüne Koalition ist erst einige Monate im Amt. Zaubern können auch wir nicht.
(Patrick Schnieder [CDU/CSU]: So sind die Verantwortlichkeiten, auch im Radverkehr! Nehmen Sie das zur Kenntnis! – Tino Sorge [CDU/CSU]: Sonst erzählen Sie immer, Sie könnten zaubern! Jetzt auf einmal nicht!)
– Die Verantwortlichen für den Fahrradverkehr saßen die letzten was weiß ich wie viele Jahre in der Großen Koalition in Berlin.
(Ralph Lenkert [DIE LINKE]: Es waren nur fünf Jahre! Gott sei Dank!)
Sie hätten da schon etwas machen können.
(Beifall bei der LINKEN)
Weitere Beispiele: Wenn Sie auf der Straße radeln, dann haben Sie wirklich Pech, wenn – das kommt oft vor – vor Ihnen eilig parkende Personen die Autotür aufreißen, ohne zu gucken, sodass Sie straucheln und im schlimmsten Fall stürzen. Sie werden spüren, wie es ist, wenn ungeduldige Autofahrer laut Gas geben, mit 50 Zentimeter Abstand an Ihnen vorbeiziehen und vor der nächsten roten Ampel auf die Fahrradspur einbiegen. Sie erleben den Ärger, wenn auf dem erfreulichen Stück Fahrradstreifen wieder einmal ein Lieferwagen steht, sodass Sie in den Autoverkehr ausweichen müssen. Sie sind genervt, weil Sie immer wieder vor einer roten Ampel warten, obwohl das Rechtsabbiegen gefahrlos und ohne Störung anderer möglich wäre.
Das alles kann und muss besser werden. Wir brauchen gute Standards für eigene Fahrradstreifen auf der Straße. Wir brauchen Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit in den Städten und Gemeinden, damit es für alle entspannter wird. Die Haltepflicht vor roten Ampeln soll für Fahrradfahrer und Fußgänger gelockert werden. Die Strafen für Verkehrsteilnehmer, die andere gefährden und behindern, müssen deutlich höher sein und abschrecken. So ist es übrigens in unseren europäischen Nachbarländern üblich. Nur im sogenannten Autofahrerland Deutschland geht das nicht.
Wir wollen, dass das Fahrrad zum Massentransportmittel Nummer eins werden kann: sozial, ökologisch, kostengünstig, gesund und attraktiv.
Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)